Stranger Things (Staffel 3)
Netflix‘ Flaggschiff-Serie Stranger Things ist seit dem 4. Juli 2019 mit einer dritten Staffel zurück. Nach der vergangenen Halloween-Staffel führen die Gebrüder Duffer die Zuschauer nun kurz vor den Feierlichkeiten zum amerikanischen Unabhängigkeitstag 1985 zurück nach Hawkins. Seltsame Ereignisse befallen wieder einmal die Kleinstadt im Bundesstaat Indiana und zu den gewohnten Monstern aus einer anderen Dimension, gesellen sich nun auch noch böse Russen und die verstörende Tatsache, dass Marty McFly im neuerschienen Blockbuster Zurück in die Zukunft mit seiner Teenager-Mutter herumknutscht.
1984: Auch der Sowjetunion scheint die Existenz einer anderen Dimension bekannt zu sein und versucht mit einem Energiestrahl ein Tor ins Upside Down zu öffnen. Das Experiment schlägt jedoch fehl, vorerst. Ein Jahr später im Sommer 1985: Eine knappe Woche vor dem alljährlichen Independence Day scheint im amerikanischen Hawkins alles in Ordnung zu sein. Eleven und Mike sind verliebt, was sich zum großen Leidwesen ihrer Freunde und Neu-Dad Hopper in frequenten Knutsch-Sessions äußert. Besonders Hop treibt das anormale Ausmaß zunehmend in die Verzweiflung und auf die Suche nach einem Ausweg. Lucas und Max (Sadie Sink) sind ebenfalls zusammen, wobei Lucas‘ treffsicheres Gespür für Fettnäpfchen immer mal wieder dafür sorgt, dass Max ihn abserviert. Will ist zwar weder in einer anderen Dimension gefangen, noch von einem extradimensionalen Wesen besessen, doch vermisst er mit all den Beziehungsgeschichten in seinem Freundeskreis die alte (D&D-)Gruppendynamik. Besserung scheint in Sicht, als Dustin nach einen Monat in einem Wissenschaftscamp nach Hawkins zurückkehrt. Neben einigen Erfindungen bringt er jedoch die Nachricht mit, dass er dort ebenfalls eine Freundin gefunden hat, Suzie. Deren angebliche Perfektion (ein Genie und zudem hübscher als Phoebe Cates) veranlasst jedoch jeden eher zum Schluss, dass sie nur erfunden ist. Jonathan und Nancy sind nicht nur beziehungstechnisch zusammen, sondern absolvieren auch gemeinsam ein Praktikum beim Lokalblatt der Hawkins Post. Jon als Fotograf, Nancy eigentlich als Journalistin, doch ist sie dort eher wandelnde Kantine und Kaffeemaschine und muss die sexistischen Erniedrigungen ihrer Vorgesetzten ertragen. Max‘ Lieblingsbruder Billy (Dacre Montgomery; Power Rangers) hat derweil einen Job als Bademeister im lokalen Freibad angenommen und ist die Hauptattraktion der Hausfrauen von Hawkins sowie in einen heftigen Flirt mit Mrs. Wheeler verwickelt. Hauptanlaufpunkt für die jungen Leute ist neben dem Freibad inzwischen die neueröffnete Starcourt-Mall, wo Steve nach erfolgloser College-Bewerbungsphase gezwungenermaßen einen Job als Eisverkäufer im Scoop Ahoy angenommen hat. Charme, Frisur und Ego des einstigen High School-Königs leiden neben seinem Matrosen Outfit auch unter den sarkastischen Kommentaren seiner Kollegin Robin (Maya Hawke), die keine Gelegenheit auslässt, Steve mit seinen Fehlschlägen aufzuziehen. Der Erfolg der Mall ist zugleich der Ruin der kleineren Läden in Hawkins‘ Innenstadt, wie dem, in dem Joyce arbeitet. Die hat den brutalen Tod von Bob immer noch nicht ganz verwunden und denkt insgeheim darüber nach, mit ihrer Familie aus der Kleinstadt wegzuziehen, eine neue Charmeoffensive von Hopper soll dies jedoch verhindern.
Abgesehen von ganz normalen Problemen scheint tatsächlich alles in Ordnung zu sein, doch dann fallen nach einem Stromausfall Magnete von Joyces Kühlschrank, Dustin empfängt zufällig ein dubioses russisches Radiosignal, Nancy verfolgt Berichte über tollwütige Ratten, Will spürt plötzlich wieder die Anwesenheit des Mind Flayers und Billy hat einen folgenschweren Unfall nahe einer verlassenen Stahlfabrik.
„Moving in Stereo“ – Teilen und forschen
Originaltitel | Stranger Things (Season 3) |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 8 Folgen in Staffel 3 |
Genre | Horror, Mystery, Science-Fiction |
Cast | Joyce Byers: Winona Ryder Jim Hopper: David Harbour Eleven: Millie Bobby Brown Mike Wheeler: Finn Wolfhard Will Byers: Noah Schnapp Dustin Henderson: Gaten Matarazzo Lucas Sinclair: Caleb McLaughlin Nancy Wheeler: Natalia Dyer Jonathan Byers: Charlie Heaton Steve Harrington: Joe Keery |
Wie in den Vorgängerstaffeln gehen den seltsamen Ereignissen wieder verschiedene Figurenkonstellationen auf den Grund. Dieses Mal jedoch bedeutend unabhängiger voneinander, sodass sich besonders für die Figuren erst am Ende alles zu einem großen Ganzen zusammenfügt. Die bekannte Paarung aus Joyce und Hop kommt angetrieben von Joyces Untersuchungsdrang auf die Spur eines geheimen russischen Projekts mitten in Hawkins. Beide dürfen dabei ihre sehr eigene Dynamik insgeheimer romantischer Zuneigung ausleben, die sich hauptsächlich im gegenseitigen Anschreien äußert. Nancy und Jon untersuchen derweil sich anormal verhaltende Ratten (die Dünger verspeisen) und kommen so dem wiedererweckten Mind Flayer auf die Spur, was jedoch gegenüber Nancys Ankämpfen gegen den weißen Machoclub in der Redaktion und den sozialen Unterschieden zwischen ihr und Jon zurücktritt. Waren weiterhin die vier Jungs zuvor noch treibende Kraft in der Handlung, treten sie dieses Mal etwas in den Hintergrund. Während Mike und Lucas an ihren Freundinnen und der weiblichen „Spezies“ als Ganzes verzweifeln, kann Will das Thema Frauen nicht wirklich bewegen. Er trauert eher seiner verlorenen Kindheit nach, die sich auch mit Dungeons & Dragons nicht mehr reanimieren lassen will. Ein neues Team bildet sich dadurch, dass Max es schafft, Eleven von Mike loszueisen und ihr in mädchenhafter Zweisamkeit mehr Eigenständigkeit beizubringen. Gerade der Einsatz von Els telepathischen Fähigkeiten, um spaßeshalber andere Jungs auszuspähen, führt die beiden dann aber auf die Spur von Billies ferngelenkten Machenschaften. Das unerwartete Staffel 2-Dream Team aus Dustin und Steve ist auch wieder zurück, bekommt aber in ihren Nachforschungen über die russischen Funksignale frischen Zuwachs. Zum einen durch Steves Scoop Ahoy-Kollegin (oder Mitmatrosin) Robin, die ihnen eher aus Langweile beim Übersetzen der Nachricht hilft und später noch (nach zähen Verhandlungen) durch Lucas‘ naseweise kleine Schwester Erica (Priah Ferguson), die in den vorangegangenen Staffeln schon kurz zu sehen ist und jetzt eine sehr viel größere Rolle einnimmt. Besonders die letzte Gruppe hat die besten Momente für sich gepachtet und macht die Staffel besonders sehenswert.
„Cold as Ice“ – Horror-Monster und böse Russen
Vorherrschend in der Handlung der Staffel ist vor allem das Thema der stillen Invasion. So verwandelt der wiedererweckte Mind Flayer in Anlehnung an Filme wie Die Invasion der Körperfresser nach und nach die Bürger von Hawkins in seine Schläfer-Sklaven und zugleich Inkubationskörper für neue Alpträume. Waren der Demogorgon und die Demodogs schon gutes Horrormaterial, erreicht der Mind Flayer in seiner neuen Reinkarnation auf mehr als eine Art neue Dimensionen in seiner Bedrohlichkeit. Synchron zur Infiltration des außerdimensionalen Monsters haben auch sowjetische Truppen hinter der Fassade der Mall Hawkins infiltriert. Die rote Flut bedient dabei allerlei gängige Klischees, ist aber wohl gerade damit ein schöner Wink auf das Kino der 80er, als der kalte Kriegsgegner noch allgegenwärtiger Antagonist war. Neben dem überaus liebenswerten Überläufer Alexei (Alec Utgoff; Jack Ryan: Shadow Recruit) sticht dabei besonders Topscherge Grigori (Andrey Ivchenko) mit seinen Terminator-Qualitäten als Gegenspieler für Hopper hervor, der mit seinem neuen Magnum-Look nun gänzlich zum Actionhelden mutiert.
„Never Ending Story“ – Altes Erfolgsrezept, nur mehr davon
Was vielleicht etwas im Vergleich zu den Vorgängerstaffeln nachgelassen hat, ist der anfängliche so starke Mystery-Faktor. Viele Wissenslöcher sind inzwischen geschlossen worden und die Figuren handeln mit ihnen bekannten Größen und Gegnern. Stattdessen wird auf das eher typische Fortsetzungsrezept der Eskalation gesetzt, in dem es halt von allem etwas mehr und spektakulärer sein darf: Mehr Effekte, mehr Action und mehr Horror dadurch, dass die Alptraummaschinerie aus der Monster-Dimension ganz neue Qualitäten erreicht. Damit verklingt naturgemäß der Wow-Effekt, den man noch in der ersten Staffel gehabt hat, doch macht das Staffel 3 nicht weniger unterhaltsam. In hoher Dichte darf man sich über acht Stunden lang fürchten, darf lachen und weinen, sich schockieren und begeistern lassen sowie die Entwicklung der liebgewonnenen Figuren weiter beobachten und sich an ein paar neuen erfreuen.
Fazit
Dass dieser Wow-Effekt der ersten Staffel fehlt, wäre der einzige Negativpunkt, den ich Staffel 3 ankreiden könnte. Da ich aber auch diese Staffel wieder in einem Rutsch durchgeguckt habe, fällt das eigentlich nicht sehr ins Gewicht. Ich kriege jedoch das Gefühl, dass Stranger Things Gefahr läuft, sich zu sehr an sein etabliertes Erfolgsrezept zu klammern. Wenn man mit jeder Staffel nur mehr vom selben einfach nur spektakulärer macht, könnte am Ende das Innovative schmerzlich fehlen, was einem am Anfang noch so begeistert hat. Aber ich liebe die Staffel alleine schon wegen der Steve-Robin-Dustin-und-Erica-Gruppe und weil es am Ende die antiklimaktischste Gesangseinlage seit Guardians of the Galaxy gibt.
© Netflix
Eine hervorragende Staffel. Insgesamt gefällt es mir sehr gut, dass Stranger Things noch immer klar zeigt, wo die Inspiration liegt, aber mittlerweile eben schon ganz eigenständig funktioniert. In S1 kann man manche Kameraeinstellung direkt zuordnen und das hat die Serie nicht mehr nötig. Und wenn weitere 80s-Referenzen eingebaut werden – wie nun Magnum und Die Unendliche Geschichte – fühlt es sich für mich immer absolut organisch an und ist weit mehr als Selbstzweck. (Bei dem Film Summer of ’84 funktioniert die nostalgische Atmosphäre beispielsweise kaum.)
Ich bin ehrlich gesagt froh, dass am Rezept nicht zu viel rumprobiert wird. Unterschiedlich zusammengewürfelte Gruppen, die alle ein für so interessantes Thema verfolgen und am Ende gehören all die Versatzstücke für ein großes Ganzes zusammen. Und da das hier an ein paar Tagen spielt, hab ich auch kein Problem damit, dass keiner mal tief Luft holt, um andere auf dem Laufenden zu halten. Warum auch. Für die Figuren erscheint das nicht nötig und das mag an der Erzählstruktur. Und es ist herrlich, dass die Kinder sich auch noch aufteilen und mehr Grüppchen entstehen. Ich stimme übrigens zu, die Ahoy-Matrosen-Nerds sind die Gewinner der Staffel. Ich hab bei keinem Handlungsstrang gehofft, dass die Szene schnell um ist, aber bei denen ist der Spaßfaktor am größten. Mein Dank, dass Steve sich redeemen durfte und nicht den Platz einnahm, der dann Billy zukam. Er ist ein bisschen ein Trottel, aber eben unser liebenswürdiger Trottel. Robin ist der beste Neuzugang überhaupt und ich kann in jeder Hinsicht mit ihr mitfühlen. Herrlich.
Joyce und ihre Magnete. Was für eine Art in die Story zu stolpern! Ich mag es, wie verbissen sie mal wieder ist und dass sie dieses Mal aber nicht dauernd Panik schieben muss aus Sorge um Will. Sein Wohlergehen motiviert sie natürlich weiterhin stark, klar nach all den Erlebnissen, aber sie dringt da auch tiefer vor und nimmt Warnhinweise aller Art ernst. Und denkt noch an Bob. Wie wir alle.
Hoppers Tod nehme ich ehrlich gesagt zu diesem Zeitpunkt auch relativ gelassen. Da muss mir S4 erst absolut glaubwürdig verklickern, dass er gar nicht mehr wiederkommt. Den emotionalen Aspekt für Joyce und Eleven kann ich aber selbstverständlich nachvollziehen und da fühle ich mit ihnen diesen Verlust. Ich fänd ein Special zwischen den Staffeln toll, das mir jetzt einfach zeigt, wie Joyce mit ihrer wachsenden Kinderherde klar kommt und wie alle in Kontakt bleiben und was sich so tut ohne irgendwelchen Phänomene. Das ausgedehnte Ende von Folge 8 kam mir sehr entgegen und hat geholfen nach dem Bingewatch loszulassen.
Tja, Billy. Ich gönne es ihm, dass er vor seinem Tod noch ein letztes Mal er selbst sein durfte. Und dazu sein bestes Selbst, das anderen nicht weh tun möchte. Vielleicht hätte er sich mit einer zweiten Chance auch geändert (so wie Steve). Max hat den Zwiespalt gut gezeigt. Wirklich leiden konnte sie ihn nicht, hat gelästert und fand ihn creepy. Aber er ist doch ihr Bruder und sie kann manches an ihm verstehen und was wirklich schlechtes wünschte sie ihm auch nicht. Alles nachvollziehbar.
Die Russen sind herrliche Gegner. Natürlich muss es dann einfach am Unabhängigkeitstag spielen. Super. Man kann den Geist von Dolph Lundgren und Arnold Schwarzenegger fast riechen.
Stranger Things bleibt eine der besten Serien der letzten Jahre und für mich liegt die Faszination darin, dass ich die Figuren rundum mag und auf Basis der puren Nostalgie etwas spannendes erzählt wird. Einen Bonuspunkt gibt es von mir zudem auch, weil hier nicht zufällig alle Einzelkinder sind und wir so viele unterschiedliche Geschwisterpaare haben. Seltener als man denkt.