Tales from the Loop
Basierend auf den Bilderbüchern des schwedischen Autors und Malers Simon Stålenhag, erzählt die Serie Tales from the Loop von der endlosen Weite der amerikanischen Prärie, die den Auswirkungen einer unvorstellbaren Technologie ausgeliefert ist. Die Serie ist quasi eine Mystery-Box-Show, mit dem kleinen Unterschied, dass Showrunner Nathaniel Halpern (Legion) nicht an dem Mysterium interessiert zu sein scheint. Amazon Prime Video nahm die Serie am 3. April 2020 als Amazon Original ins Programm auf.
Wir befinden uns in den 80ern einer alternativen Zeitlinie. In Mercer, einem kleinen Städtchen in Ohio, steht das Mercer Center for Experimental Physics, kurz MCEP oder auch „der Loop“, das sich mit der Erforschung eines unbekannten, unterirdischen Objekts befasst. Der Loop prägt mit seinen technischen Auswüchsen die Landschaft um Mercer und den Alltag der Anwohner, die oft gar nicht wissen, auf welche unglaubliche Art und Weise. Eine Frau trifft auf ihr jüngeres Ich, zwei Jungen tauschen die Körper, ein Mädchen hält für ihren Liebsten die Zeit an, wieder jemand anderes landet in einem Parallel-Universum, und auf einer fernen Insel soll ein Monster hausen. Von all diesen Schicksalen erzählt Tales from the Loop.
„Jeder ist mit dem Loop verbunden“
Originaltitel | Tales from the Loop |
Jahr | 2020 |
Land | USA |
Episoden | 8 in Staffel 1 |
Genre | Drama, Science-Fiction |
Cast | Loretta Willard: Rebecca Hall George Willard: Paul Schneider Russ Willard: Jonathan Pryce Klara: Jane Alexander Cole: Duncan Joiner Jakob: Daniel Zohlgadri |
Seit dem 3. April 2020 auf Amazon Prime Video verfügbar |
Tales from the Loop beginnt mit einem Monolog des MCEP-Gründers Russ Willard (Jonathan Pryce, Die zwei Päpste). Er stimmt die Zuseher darauf ein, was sie sehen und erleben werden. Eine alternative Zeitlinie in den 80er Jahren, die es so nie gegeben hat. Es kündigt eine Welt voller Rätsel an, dessen Mysterien er mit den Zusehern entschlüsseln und erforschen will. Eine Welt, in der ramponierte Maschinen wie stille Mahnmale in der Natur herumstehen, während Menschen gedankenverloren an ihnen vorbei spazieren. Tales from the Loop umfasst acht gut einstündige Episoden, die mal mehr, mal weniger lose miteinander verknüpft sind, voller wiederkehrender Figuren und Details. Es scheint eine ruhige und poetische Serie zu werden, ohne allzu viel Action, und bedenkt man ihren Ursprung, ist das auch kein Wunder.
Die schwedische Vorlage
Die Serie basiert auf dem illustrierten Roman von Simon Stålenhag. Darin erzählt der Autor von seiner (fiktiven) Kindheit – darüber, wie es war, auf den Mälar-Inseln aufzuwachsen, auf denen ein riesiger unterirdischer Teilchenbeschleuniger namens “der Loop” die Landschaft und den Alltag der Anwohner beeinflusst hat (für die Serie wurde die Story nach Ohio verfrachtet). Der Roman ist eine Ansammlung von Anekdoten, ohne akkurate Richtigkeit. Hier und da schleichen sich offizielle Berichte und Dokumente in den Roman, dennoch ist es eher ein subjektiver und mitunter unterhaltsamer Einblick. Die Bilder sind großflächige Landschaftsaufnahmen, die die Technik, die Menschen, aber vor allem die Atmosphäre vermitteln. Der Art-Style, eine Mischung aus Gouache und Acryl (irgendwie sowas, bin kein Experte), erinnert an den altehrwürdigen Ralph McQuarrie, dessen Concept Arts den Look von Star Wars geprägt haben. Ein Style, der für Retrofuturismus scheinbar wie gemacht zu sein scheint und so auch von Stålenhag verwendet wird
Schön …
Viele Elemente aus der Buchvorlage haben es in die Serie geschafft. Der Fernhandschuh, mit dem man Roboter steuern kann; der Wartungstechniker Mikael mit seinem gelben Wartungsauto; die Körpertauschkugel, die Wimpelturbinen draußen im Meer, Friskes Hof mit den Bogentürmen, und natürlich die drei riesigen Bona-Kühltürme, die mit ihren Hornstößen quasi die heimlichen Stars des kleinen Städtchens, nein, der ganzen Serie sind. Auch visuell lehnt sich die Serie an die Vorlage. Tales from the Loop strotzt nur so von schönen Bildkompositionen, mit all ihren farblichen Kontrasten, den klaren Abgrenzung zwischen Himmel und Erde, der plastischen Hervorhebung von Dingen und den klaren Strukturen der Gebäude. Die Serie sieht in ihrem ganzen Retrofuturismus der 80er wunderschön aus.
… um ehrlich zu sein: zu schön
Aber da geht’s los: Serienmacher Nathaniel Halpern hat nur das Schöne und das Melancholische aus den Büchern entnommen – das, was in seine auf das menschliche Drama konzentrierte Interpretation hineinpasst. Das Schräge hat er außen vor gelassen. Zum Beispiel die Tochter, die sich wegen einer auferzwungenen Mondwurzel-Diät spontan selbst entzündet; eine andere Tochter, die das Gehirn ihres Vaters zugesendet bekommt; ausgebrochene Cyborg-Wildschwein-Rüffel, die durch die Lande streifen; das Haus der Wilden, deren Patriarch halbiert in den Wäldern liegt. Das alles wäre mega spannend – ist aber scheinbar zu „weird“ für Halperns Vision von verkrampfter Schönheit. Dass er sterbende Rehe, Sex auf einer öffentlichen Straße und Pissflecken auf ‘ner Klobrille einbaut, macht das auch nicht wett.
Environmental Sci-Fi? … Nein. Also: nicht wirklich.
Die Environmental Sci-Fi legt ihren Schwerpunkt auf Natur und Umwelt. Die Geschichten handeln von einer fiktiven Veränderung dieser Umwelt und von den Auswirkungen auf den Menschen. Stories, die die Beziehung „Mensch-Umwelt“ im Fokus haben, sind für gewöhnlich gut entwickelt und haben eine durchdachte Hintergrundgeschichte (wär auch blöd wenn nicht). Diese „Lore“ von Tales from the Loop ist in der Buchvorlage gut umschrieben. Die Anwohner etwa kriegen Prospekte mit Auswirkungen des Loops und Sicherheitsvorschriften, die Hornstöße der Kühltürme haben den Stellenwert von Kirchengeläut eingenommen, es werden internationale Auswirkungen besprochen und die Magnetrinscheiben bekommen im Buch ganze 14 Seiten spendiert. Das alles füllt die Lore. Warum kommen diese Details, die alles lebendiger und dichter machen würden, nicht in der Serie vor? Man muss ja keine perverse Lore wie bei Avatar – Aufbruch nach Pandora schaffen, aber ein bisschen Lore, die hier und da mal in einem Nebensatz fällt, wäre nicht verkehrt.
Im Fokus: das Drama
Die Sci-Fi-Elemente sind in Tales from the Loop also unwichtig. Sie dienen als Plot Device, um diverse Gedankenspiele in die Realität umzusetzen (für seinen Liebsten die Zeit anhalten; mit dem besten Freund den Körper tauschen, nur will der nicht wieder zurücktauschen; eine Kugel, die einem die eigene Lebenserwartung verrät; in einem Parallel-Universum auf das eigene Ich treffen etc.), ordnen sich sonst aber dem menschlichen Drama unter. Ein Drama, das nur schwerlich zündet, da den Figuren ein gewisses Maß an Seele fehlt. Am stärksten fällt das bei den Dialogen auf. Die Dialogperformance hat ein unglaublich schlechtes Pacing. Die Worte ziehen sich und sind, wenn sie fallen, entweder belanglos oder plakativ. Ebenso plakativ wie an vielen Stellen die Bildsprache (der unbeantwortete Pfiff oder das tote Reh, das Cole im Wald findet, Folge 4). Es wird viel darauf verwendet, das Drama wortlos an den Zuseher zu bringen, dafür fehlt es den Schauspielern aber an gescheiter non-verbaler Präsenz. Die Szenen dauern generell immer einen Tacken zu lange. Passend dazu auch der Soundtrack von Philip Glass (The Truman Show) und Paul Leonard-Morgan. Man hört das Klavier-Thema, man hört diese Harmonien, man runzelt die Stirn, man recherchiert auf YouTube, und zack wird’s einem klar: Das ist quasi „Truman Sleeps“. Melancholisch, ja, aber fade und dudelnd. Genau so eindimensional wie Figuren und Bildsprache.
Fazit
Okay, so schaut’s aus: Viele werden mit der Schönheit und Melancholie von Tales from the Loop etwas anfangen können, mit der pastoralen Kameraführung, der nachvollziehbaren Handlung, der Piano-Mucke, der ruhigen Gangart und dem wehmütigen und doch lebensbejahenden Ausklang der Serie. So. Für mich aber war die Serie schon unten durch, als ich die Mucke gehört hab. Wie geht mir das auf den Keks: Nach den ganzen Yann Tiersens und Ludovic Einaudis und Max Richters kann ich diese megamelancholischen Piano-Songs mit den sich tot dudelnden Harmonie-Loops (huehue, „Loops“) nicht mehr hören. Ich sehe, was Nathaniel Halpern hier machen will, mit dieser wunderprächtigen Bildsprache und dem Verzweigen von Schicksalen über die Zeiten und Körpergrenzen hinaus. Jeder hängt mit irgendwem zusammen, und alle hängen sie am Loop; und alle leben quasi in einem Loop. Alles tutti. Aber ich hab mich echt durch die Serie kämpfen müssen. Es ist extrem langatmig, die Dialoge haben ein furchtbares Tempo, sind offensichtlich und eindimensional, es werden menschliche Probleme und Sehnsüchte abgefrühstückt, die mir allesamt am Hintern vorbei gehen (so wie die Figuren), und von der erhofften Environmental Sci-Fi hab ich nichts bekommen. Eigentlich wollte ich schon nach Folge 2 abbrechen, aber das verbietet mir mein Kodex, denn es könnte ja immer noch gut werden, gell? Für mich war Tales from the Loop aber vergeudetet Zeit, ein einziges Sedativum. Da schlag ich doch lieber wieder das originale Buch von Simon Stålenhag auf. Das gefällt mir übrigens ziemlich gut.
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