The Acolyte

Als The Acolyte im Jahre 2020 während der großen Star Wars-Offensive von Disney angekündigt wurde, stach das Projekt damit heraus, dass es die gewohnte Star Wars-Bubble verlassen und NICHT in unmittelbarer Nähe der Skywalker-Saga spielen sollte. Stattdessen sollte eine Epoche erforscht werden, die im Live-Action-Bereich noch völlig unerschlossen war: Die Ära der Hohen Republik. Und nicht nur das: Ein Mystery-Thriller inklusive Jedi-Killer aus der Feder der Matrjoschka-Schöpferin Leslye Headland würde uns erwarten. Herrschaftszeiten, völlig ungewohnt, aber es klang spannend! Losgelöst vom schweren Skywalker-Ballast und somit voller erzählerischer Freiheiten, versprach das Ganze ‘ne richtig große Nummer zu werden. Headland, you go, Girl! Naja, und was ist dabei herausgekommen? Eine Nummer, sicher, aber eine richtig miese. Seit dem 17. Juli 2024 ist The Acolyte vollständig auf Disney+ verfügbar.

In der Ära der Hohen Republik, etwa 100 Jahre vor der Handlung von Star Wars: Episode I, befindet sich die Galaktische Republik auf ihrem Zenit. Die Jedi tummeln sich zahlreich und leben wie die Maden im Speck. Doch dann geschieht etwas Ungeheuerliches: Meisterin Indara (Carrie-Anne Moss, Matrix) wird ermordet. Die vermeintliche Täterin ist schnell lokalisiert: Osha Aniseya (Amandla Stenberg, The Darkest Minds – Die Überlebenden), eine einstige Padawan der Jedi. Osha aber gelingt die Flucht. Ihr ehemaliger Meister Sol (Lee Jung-jae, Squid Game) wird mit ihrer Rückführung betraut. Doch schon bald merkt Sol, dass der Fall nicht so einfach werden wird, denn plötzlich taucht Oshas totgeglaubte Zwillingsschwester Mae auf und weitere Jedi-Morde folgen. Hinter dem Ganzen scheint etwas viel Größeres und weitaus Gefährlicheres zu stecken.

Motivation? Zero

Originaltitel The Acolyte
Jahr 2024
Land USA
Episoden 8 in Staffel 1
Genre Science-Fiction, Mystery, Thriller
Cast Mae/Osha: Amandla Stenberg
Sol: Lee Jung-jae
Qimir: Manny Jacinto
Jecki Lon: Dafne Keen
Yord Fandar: Charlie Barnett
Vernestra Rwoh: Rebecca Henderson
Indara: Carrie-Anne Moss
Mutter Aniseya: Jodie Turner-Smith
Torbin: Dean-Charles Chapman
Veröffentlichung: 17. Juli 2024 auf Disney+

The Acolyte strauchelt bereits in der Pilotfolge, wenn es darum geht, die Figuren zu definieren. Als Beispiel können wir hier gleich mal die Heldin Osha heranziehen: Die tut sich durch keine wesensbestimmende Spezifikation hervor. Osha sei ein Technikexperte, heißt es. Sehen tun wir das aber nicht. Der Mechaniker-Aspekt drückt sich in kaum einer Weise aus, außer vielleicht durch den PIP-Droiden, den sie wie ein Deus ex Machina-Taschenmesser schwingt. Osha sei ein Ex-Jedi, heißt es. Interessant, aber sehen tun wir das nicht: Weder, wie sie die Macht nutzt, noch wie sie sich weigert die Macht zu nutzen (aufgrund eines möglichen Traumas o. ä.). Nur einmal wedelt sie erfolglos mit der Hand – und das war’s. Osha ist in ihren gelebten Handlungen weder Mechaniker noch Ex-Jedi, könnte durch jeden anderen Charakter ersetzt werden und scheitert deswegen darin, der Anker der Serie zu sein. Hinzu kommt ein Mangel an Motivation bzw. ein Wechselbad der Motivationen. Osha steht überwiegend passiv an der Seitenlinie und wird von der Geschichte herumgeschubst – langweilig. Andere Beispiele, abseits der Pilotfolge: Jedi-Padawan Torbin reitet alle ins Verderben, weil er sein Bettchen auf Coruscant vermisst – was zum Teufel? Und bei Oshas Schwester Mae weiß man sowieso nie, was sie gerade für eine Schiene fährt. Mae ist ein labiles Metronom bei mindestens 300 bpm.

Figuren? Zerro

Der Cast besteht aus guten Schauspielern, die versuchen das Beste aus dem Material herauszuquetschen (Manny Jacinto als Qimir oder Lee Jung-jae als Sol), und schlechten Schauspielern, die alles geben, um die Limitationen ihres Könnens zu überwinden (Amandla Stenberg als Osha/Mae). Stenberg hinterlässt in ihrer Zwillingsrolle so gut wie keinen Eindruck. Weder kann man ihre beiden Rollen voneinander unterscheiden, noch die Emotionen, die sich auf ihrem Gesicht tummeln oder eben nicht tummeln. Qimir hat zwar etwas durchaus Einnehmendes, bekommt aber von Regisseurin Leslye Headland vor allem die Naked-Hotty-Kur verpasst, damit er genug Material für TikTok-Edits hergibt. Lediglich Sol sprengt die darstellerische Plattheit, indem er der einzige ist, dem man Gefühle wie Verzweiflung auch mal ansieht (Folge 1×06). Der Rest der Jedi verkommt währenddessen zum Gammelhaufen. Ihnen fehlt es an Disziplin, Durchblick, Sympathiefaktoren und Spezifikationen. Keine Attitüde eines Mace Windu, keine Individualität eines Anakin, keine gottgleiche Stilsicherheit eines Obi-Wan. Es gibt nur Yord (Charlie Barnett, Matrjoschka), der als Goofy mit Sixpack etabliert wird, und Leslye Headlands Ehefrau, die man grün angemalt hat. Wenn die Serie späterhin den (durchaus respektablen) Schritt geht, Hauptfiguren (auf durchaus brutale Weise) sterben zu lassen, dann juckt uns das nicht die Bohne. Erstens, weil wir sie nicht kennen gelernt haben und zweitens, weil wir dadurch gar nicht erst in die Verlegenheit kamen, sie zu mögen. The Acolyte verpasst es völlig, für die Figuren eine Basis zu schaffen, von der aus wir den Wert, den Headland den Figuren ganz offensichtlich beimisst, nachvollziehen können.

Beziehungen? Zerrro

Auch die Beziehungen zwischen den Charakteren sind schwer zu fühlen, da sie sich über weite Strecken der Serie durch nichts auszeichnen. Kein Neid, keine Rivalität, keine Konflikte, keine spürbare Freundschaft (nein, auch nicht zwischen Osha und Jecki) und auch keine Liebe (das zwischen Osha und Mae ist irritierend, aber keine Liebe). In gelebter Form sind alle Beziehungen gleichermaßen »casual« und fänden ihre musikalische Entsprechung in Fahrstuhlmusik. Und das, wo doch gerade das Format der TV-Serie auf starke Beziehungen angewiesen ist und jede Form von zwischenmenschlicher Fahrstuhlmucke einem Todesurteil gleichkäme. House of the DragonBreaking BadWestworld – das sind alles Serien, die gerade wegen ihrer tiefen und konfliktreichen Beziehungen populär geworden sind. Schreib dir das auf, Headland!

Konflikte? Zerrrro

Dabei hat die Grundidee von The Acolyte durchaus Potenzial: Unterdrückte Sith, die ihre Dunkelheit akzeptiert haben und einfach nur leben wollen; Jedi, die lediglich vorgeben, der gute Heros zu sein; und ein Jedi-Killer, der umherzieht und eben Jedi killt. Und als unsere Heldin Osha fälschlicherweise dessen bezichtigt wird, muss sie untertauchen und versuchen, Informationen zu sammeln, um ihre Unschuld zu beweisen. Osha auf der Flucht! Das wäre ein toller Motor für eine Geschichte gewesen. Aber bereits in Folge 1×02 wird dieser Motor abgeschaltet. Osha ist nicht mehr auf der Flucht und alles löst sich in Wohlgefallen auf. Osha muss sich nicht mehr beweisen, sondern kann einfach mit den Jedi abhängen (oder auch nicht, ganz egal) und die die Arbeit machen lassen – Stichwort passiver Charakter. Damit geht der Serie der ursprüngliche Antrieb flöten. Generell präsentiert sich The Acolyte äußerst konfliktarm und damit auch äußerst blutleer. Sols Versuch, seine Chefin Vernestra von der (zu dem Zeitpunkt) abstrusen Zwillingstheorie zu überzeugen? In vier Sekunden erledigt. Sols und Vernestras Streit darüber, ob er den Untersuchungstrupp begleitet? In drei Sekunden abgefrühstückt. Oshas und Yords »Konflikt« bezüglich Oshas Waffe? In zwei Sekunden vergessen (!). Diese seichte Non-Dramatik mäandert sich durch die gesamte Serie.

Mystery? Zerrrrro

Ursprünglich als Mystery-Serie geplant, scheitert The Acolyte letztlich auch als Genre-Vertreter: Der Serie fehlt schlicht das Mystery-Flair. Das Mysterium wird bereits viel zu früh in der berüchtigten Folge 1×03 via Flashback gelüftet und wenn das nicht schon genug wäre, wird es in Folge 1×07 via zweitem Flashback noch einmal wie Kaugummi in die Länge gezogen, ganz ohne Mehrwert, da man alles, was uns Headland hier als neue, twistreiche Information verkaufen will, schon geahnt hat. Die einzigen Mysterien sind die ungezählten Logiklöcher, die fragwürdigen Storyentscheidungen und natürlich der vermaledeite Schnüffelotter, die das Publikum irritiert zurücklassen und The Acolyte zu dieser Schlappe machen.

Fazit

The Acolyte verfügt über keine Figurenzeichnung, keine spannenden Beziehungen, keine nachvollziehbaren Motivationen und keinen Motor, der eine packende Geschichte antreiben würde. The Acolyte ist ein Reinfall sondergleichen und weiß rein gar nichts zu erzählen. Immerhin: Die Lichtschwertkämpfe sind cool, inszenatorisch ist die Serie wesentlich dynamischer als Star Wars: Ahsoka und Leslye Headland hat sogar den Schneid, ihre Hauptfiguren zu killen. Props dafür. Aber wen juckt das noch an dieser Stelle.

© Disney

Totman Gehend

Totman ist Musiker, zockt in der Freizeit bevorzugt Indie-Games, Taktik-Shooter oder ganz was anderes und sammelt schöne Bücher. Größtes Laster: Red Bull. Lieblingsplatz im Netz: der 24/7 Music-Stream von Cryo Chamber auf YouTube.

Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
älteste
neuste beste Bewertung
Inline Feedbacks
View all comments