The Feast
Ein prachtvolles Haus, ein üppiges Abendessen und hoher Besuch. Was hierauf folgt, ist nicht etwa ein friedvolles und geselliges Beisammensein, sondern ein Abend voller übernatürlicher Eskalationen, die sich keiner der Anwesenden erklären kann. Regisseur Lee Haven Jones ist für üblich eher im TV-Fach (Doctor Who, The Long Call) unterwegs. Sein folklorisch angehauchtes Horror-Drama The Feast entfaltet seine Wirkung eher gemächlich, mit voller Konzentration auf eine bedrückende und unbehagliche Atmosphäre, die das titelgebende Fest zu einer echten Qual macht. Auf dem Fantasy Filmfest 2021 lief der Film im Rennen um den Fresh Blood Award, gelangte aber in keiner der sieben Städte unter die drei bestbewerteten Filme. Dafür gibt es mehr Gründe als nur die starke Konkurrenz …
Glenda (Nia Roberts, Salomon und Gaenor) und Gwyn (Julian Lewis Jones, Jungle Cry) sind die Gastgeber des Abends. Das Dinner folgt einem geschäftlichen Zweck, es sollen nämlich die Schürfrechte vor Ort zu ihren Gunsten vergeben werden. Dummerweise fällt ihre Küchenhilfe aus, weshalb kurzfristig Cadi (Annes Elwy, Little Women) angeheuert wird, von der sich Glenda und Gwyn mehr versprochen haben. Doch auch ihre beiden sehr unterschiedlichen Söhne sind nicht ganz pflegeleicht: Der drogenabhängige Guto (Steffan Cennydd, Last Summer) und der Athlet Gweirydd (Sion Alun Davies, Hidden) werden noch für Ärger sorgen. Als Gwyn plötzlich einen Tinnitus bekommt und Glenda ständig ein Lied aus Kindheitstagen hört, realisieren sie, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht …
Dysfunktionale walisische Familie
Originaltitel | Gwleđđ |
Jahr | 2021 |
Land | Großbritannien |
Genre | Horror |
Regie | Lee Haven Jones |
Cast | Cadi: Annes Elwy Glenda: Nia Roberts Gwyn: Julian Lewis Jones Guto: Steffan Cennydd Gweirydd: Sion Alun |
Laufzeit | 93 Minuten |
FSK | unbekannt |
Titel im Programm des Fantasy Filmfest 2021 |
Von Anfang an bemüht sich The Feast um die größtmögliche Distanz zu seinem Publikum: Das großräumige walisische Anwesen wirkt trotz wohlhabender Besitzer wenig einladend, die Figuren auf eine unnahbare Weise sonderbar kühl. Alle vier Familienmitglieder sind mit sich selbst beschäftigt, der Schein einer intakten Familie wird eher nach außen aufrecht gehalten. Die Bemühungen für das Festmahl fallen größer aus als die Ambitionen, sich miteinander zu beschäftigen. Auch Cadi ist keine Person, die viel Leben ins Haus bringt. Im Gegenteil: Ihre Anwesenheit macht etwas mit den Anwesenden. Und das nicht im Positiven.
Profitsucht als Todsünde
The Feast ist nicht einfach ein weiterer Grusler von der Stange, sondern folgt dem Trend, ein narrativer Slowburner zu sein, und lässt sich unter den zahlreichen europäischen Arthouse-Horror-Titeln einreihen. Erst nach und nach entfaltet sich die Geschichte, während die volle Konzentration auf der Atmosphäre liegt, die von Szene zu Szene knisternder wird. Die Geschichte birgt Vorwürfe gegenüber der Haltung der Familie zu ihrem Haus: Wo nun die pompöse Luxusbleibe steht, war einst eine Farm, was die Familie wenig interessiert. Wer hier einst wohnte und was aus den Tieren wurde? Das interessiert niemanden. Jeder ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um eine Verbindung zu dem Boden, auf dem sie leben, aufzubauen. Ein Motiv, das sich wie ein roter Faden durch den Film zieht. Einen Spoiler stellt das nicht dar, denn ab der ersten Szene wird bereits deutlich, dass es jedem nur um sich selbst und den maximalen Profit geht. Die Figuren bleiben die gesamte Erzählung über stereotyp und entfremdet, es gibt keine Entwicklung. Kurzum: Man kann hier jeden mühelos leiden sehen, wenn alle verdeckten Lüste und Sünden ans Licht kommen.
Das Festmahl schmeckt seltsam, sieht aber gut aus
Während der Film inhaltlich keine Bäume ausreißt und seinem Publikum eher dazu rät, die dichte Atmosphäre auszukosten, gibt es immerhin auf audio-visueller Schiene ein paar Höhepunkte. Dazu zählt etwa das intensive Soundgerüst, das viele Details aufweist und wunderbar mit den straff geschnittenen Bildern des Films harmoniert. Cineasten können viele Details aufsaugen, sich an kunstvollen Einschüben erfreuen und haufenweise Symbolik entschlüsseln. Als Regie-Arbeit ist der Film eine wunderbare Visitenkarte.
Fazit
The Feast ist kein Festmahl und bringt auch wenig inhaltlichen Geschmack mit. Aber es sieht gut aus, riecht gut, macht Lust auf mehr. Von allen Seiten bringt die Produktion positive Aspekte mit, die in Summe aber nicht besser als ihre einzelnen Teile sind. Während die Atmosphäre Sogwirkung entwickelt, die ansehnliche Inszenierung kunstvoll ausfällt und die Sound-Effekte gelungen sind, geschieht auf erzählerischer Ebene nicht viel. Und vor allem eben nichts, was man nicht kommen sieht. Trotz ein paar grausigen Szenen ist kein herausragender und auch kein guter Horrorfilm entstanden, sondern eher eine stilistisch gelungene Metapher, die mit vielen Schnörkeln und Schleifen ausgestattet ist.
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