The Witcher (Staffel 1)
The Witcher – diese seltsame Dreifaltigkeit in der Medienlandschaft. Ursprünglich eine Fantasy-Buchreihe des polnischen Autors Andrzej Sapkowski, wurde es in den 2000ern von CD Project Red (CDPR) zu einer äußerst populären Videospiel-Trilogie adaptiert, und nun hat sich Netflix des Stoffes angenommen und eine Serie rausgehauen, die auf den Büchern basiert, sich aber ästhetisch augenscheinlich an den Spielen orientiert. Was ein Kuddelmuddel. Doch selbst der alte Grummelbär Sapkowski, der eine berühmt-berüchtigte Beziehung zu CDPR pflegt, scheint begeistert zu sein von der Netflix-Adaption der Showrunnerin Lauren S. Hissrich (The West Wing). Schauen wir doch mal, ob zu Recht.
The Witcher erzählt die Geschichte von drei durch das Schicksal Verbundenen: die des Hexers Geralt von Riva (Henry Cavill, Superman, Codename U.N.C.L.E.), der Magierin Yennefer von Vengerberg (Anya Chalotra, Wanderlust) und der Prinzessin Cirilla (Freya Allan, Into the Badlands). Geralt ist ein durch Drogen und Magie mutiertes Wesen mit übermenschlichen Kräften, das für Geld Monster tötet. Als einer der letzten Vertreter einer dahinscheidenden Zunft, streift er ruhelos durch die Länder. Yennefer lebt als junge und entstellte Schweinehüterin, ausgebeutet und verachtet, in einem Dorf bis sie von der Erzmagierin Tissaia (MyAnna Buring, The Descent – Abgrund des Grauens) gefunden und mit nach Aretusa genommen wird, der Akademie für Magie. Dort muss Yennefer Demütigungen und eigenes Versagen ertragen. Cirilla lebt unterdessen mit ihrer Großmutter, Königin Calanthe (Jodhi May, Der letzte Mohikaner), im Palast von Cintra. Als das Imperium Nilfgaard über Cintra herfällt, überlebt allein Cirilla. Von nun an auf der Flucht vor Nilfgaard sucht sie nach ihrer Bestimmung: Geralt von Riva.
Cavill – Das “Forever”-Gesicht von Geralt
Originaltitel | The Witcher |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 8 in Staffel 1 |
Genre | Dark Fantasy, Drama |
Cast | Geralt von Riva: Henry Cavill Ciri: Freya Allan Yennefer von Vengerberg: Anya Chalotra Cahir: Eamon Farren Rittersporn: Joey Batey Königin Calanthe: Jodhi May Tissaia de Vries : MyAnna Buring Vilgefortz: Mahesh Jadu Triss Merigold: Anna Shaffer |
Eigentlich ist der Held Geralt ein wandelndes Klischee: Ein zynischer Einzelgänger, der exzellent mit dem Schwert umgeht, sich nicht gerne einmischt (es aber trotzdem ständig tut), sehr alt und noch sehr viel attraktiver ist und gut mit Frauen kann. Dazu passen seine wortkargen Grübeleien und sein cooler (und im Fantasy-Genre gar nicht inflationär genutzten) Spitzname „der Weiße Wolf“. Klischee halt. Sapkowski gelingt es in seinen Büchern, dieses wandelnde Trope zu brechen und Geralt zu einem interessanten Charakter zu machen, indem er Geralt mal lächerlich dastehen lässt, mal unterlegen oder aber auch mal überraschend weise. Die Netflix-Adaption versucht dies ebenfalls, mehr oder weniger mit Erfolg. Darsteller Henry Cavill scheint die Rolle des Geralts inhaliert zu haben. Er selber bezeichnet sich als Fan der Bücher und der Games und das ist vermutlich mit ein Grund warum er so eine formidable Verkörperung des über die Jahre knurrig gewordenen Hexers mit seinen lakonischen Einzeilern ist. Nach eigenen Angaben hat Cavill das Spiel The Witcher 3: Wild Hunt Zweieinhalb Mal durchgespielt, was mindestens eine Spielzeit von 150 Stunden bedeutet. Selbst der Griesgram Andrzej Sapkowski zeigt sich begeistert von Cavill, denn dem Magazin People teilte er mit: “I was more than happy with Henry Cavill’s appearance as The Witcher. He’s a real professional. Just as Viggo Mortensen gave his face to Aragorn [in The Lord of the Rings], so Henry gave his to Geralt – and it shall be forever so.”
Isegrim Sapkowski und diese verfluchten Adaptionen
Wirkt Sapkowski nun nahezu zufrieden wie die Made im Speck, so war das nicht immer so in Bezug auf Adaptionen seiner Werke, denn er machte nie einen Hehl daraus, dass er von der Game-Adaption durch CDPR absolut nichts halte. Ja, er setzte das Videospiel als narratives Medium sogar herab, bezichtigte das Studio, dass es ihm Einbußen beim Buchverkauf beschert hatte und überhaupt seien es seine Bücher gewesen, die die Spiele abseits von Osteuropa beliebt gemacht hätten, und nicht umgekehrt (sehr unwahrscheinlich übrigens). Sein Schriftsteller-Kollege Dmitry Glukhovsky (Metro) sagte diesbezüglich nur, dass Sapkowski ein „arroganter Motherfucker“ sei. Tatsächlich wirkte Sapkowski immer sehr verbittert, was vermutlich an seinem schlechten Deal mit CDPR lag, denn für eine Einmalzahlung (von man munkelt 17.000 DM) übergab Sapkowski die Rechte an das Studio und schlug auch eine prozentuale Beteiligung an den Einnahmen aus. Sapkowski glaubte nicht an den Erfolg der Spiele. Mittlerweile aber gab das Studio bekannt (am Tag der Witcher-Premiere auf Netflix), dass man sich mit Sapkowski geeinigt und versöhnt habe. Die Heilige Dreifaltigkeit hat nun also endlich ihren inneren Frieden gefunden.
Der weiße Wolf und sein Welpe
Obwohl Geralt der Titelträger der Serie ist, bildet er nur den einen Teil eines Main-Trios. Cirilla ist die Prinzessin des Königreichs Cintra. Sie wird in der Pilotfolge als das (irgendwie magisch veranlagte) Herzstück eines riesigen Rätsels vorgestellt, das selbst das Nilfgaardische Imperium besitzen will. Ihr Schicksal interessiert jeden. Allerdings wird sie nach der Pilotfolge erst einmal auf die Wartebank gesetzt. Auf der Suche nach Geralt, einem Typen, von dem sie gut wie gar nichts weiß, landet sie in Flüchtlingscamps, abgewrackten Dörfern und sogar im Brokilon-Wald, doch einen wirklichen Impact hat das alles erst einmal nicht. Sie ist quasi ein blond-blauäugiger MacGuffin, der allein Geralts Suche antreibt. Auch Geralt unterläuft keiner großartigen Wandlung, zumal er im Finale komplett ausgeknockt wird (ein seltsamer Schachzug von Hissrich). Das anfangs erwähnte wandelnde Trope, das er darstellt, kriegt zwar Risse, wird aber in der Netflix-Adaption weniger gut gebrochen als in den Büchern.
Yennefer, der heimliche Star
Man könnte sagen, dass die erste Staffel von The Witcher Yennefers Staffel ist, denn Yennefer erlebt ihre Heldenreise und wandelt sich vom entstellten Glöckner zur wunderhübschen Magierin. Sie kommt von der Hoffnungslosigkeit, entwickelt eine unstillbare Gier nach Macht und endet schließlich in dem menschlichen Wunsch, Mutter zu werden. Darüberhinaus ist Yennefer auch die Einzige mit einem musikalischen Leitmotiv. Zwar verfügt auch Geralt über eines, doch das ist eher ein Action-Thema, das im Grunde genommen für die ganze Serie stehen könnte. Dagegen ist Yennefers Thema ein ausdrucksstarkes, denkwürdiges Motiv, das hörbar auffällt und eindeutig nur sie repräsentiert – gespielt von der Oboe, die gerne für Trauer und Leid verwendet wird.
Folklore fürs Ohr
Komponistin des Vertrauens ist Sonya Belousova (Der Nebel), zusammen mit Giona Ostinelli. Zwar wurde die Band Percival, die seit jeher für den Witcher-Klang steht, nicht mit ins Boot geholt, aber das Komponisten-Duo bleibt dem Percival’schen Milieu der Folklore treu. So setzen sie, neben dem gewohnten Orchesterklang, auch langhälsige Lauten namens Saz, archaische Percussion, Fideln, byzantinische Lyra und kehlige Gesänge ein, so dass sich Fans der Games recht schnell wohl fühlen dürften. Auch mit dabei: Die selten eingestreuten Songs gegen Ende einer Folge, die die Schicksale der Figuren miteinander verbinden. Poppige Folklore, live gesungen von Rittersporn. Der Song „Toss A Coin To Your Witcher“ aus Episode 2 hat bereits die Millionen-Marke geknackt.
Die vielen Gesichter des Kontinents
Auch visuell wirkt The Witcher von Anfang an vertraut. Die Eröffnungsszene, die Geralt im Kampf mit einer Kikimora zeigt, könnte das Abbild der Sümpfe aus Velen sein. Die Stadt Blaviken erstrahlt in wundervollem Dreck, Posada zeigt sich mit seinen grünen Hügeln und Tälern von seiner schönsten Seite, Szenen am rauen Meer wecken Erinnerungen an Skellige und dann und wann gibt es sogar Abstecher in die Wüstenregion, vermutlich Korath. Showrunnerin Hissrich zeigt also die ganze Palette des Kontinents der Nördlichen Königreiche und bietet somit visuelle Abwechslung.
Kampf der Zeiten
Zurück zu Ciri: Dass sie so wenig Screentime hat im Vergleich zum Rest des Trios liegt auch daran, wie die Erzählung aufgebaut ist. Denn nach drei oder vier Episoden wird klar, dass Showrunnerin Hissrich mit den Zeiten spielt (für alte Westworld-Veteranen natürlich alles kein Problem). Während Ciris Storyline ab dem Fall von Cintra in der Gegenwart angesiedelt ist, durchlaufen Geralt und Yennefer sieben Episoden lang die Vergangenheit, die zum Großteil auf den Kurzgeschichten-Sammlungen von Sapkowski basieren (u.a. Der Letzte Wunsch). Dagegen ist Ciris Storyline eine TV-originale Vorgeschichte zu Sapkowskis Haupt-Pentalogie. Diese Erzählart mit dem Verweben von Zeiten und episodenhaften Geschichten, zwischen denen manchmal Jahre vergehen, hat Vor- und Nachteile. Vorteil: Man erhält eine Ahnung von der Größe der Welt, und weil sie so facettenreich ist und man ohne größere Erklärung wie ein Greenhorn hineingeworfen wird, wirkt sie interessant und spannend. Der Nachteil: Weil die Methode chronologisch so unstet und zerfranst ist, kann sich nichts wirklich Dichtes entwickeln. Eine intrigen- und wendungsreiche (und emotionale) Geschichte wie bei Game of Thrones ist so nicht möglich.
Fazit
The Witchers erste, kurze Staffel hat viel zu stemmen. Sie muss eine komplette Welt etablieren, mit ihren ungezählten Königreichen, den Rassen und all den politischen und magischen Regeln dahinter, mit der Weltentstehungshistorie (Stichwort Sphärenkonjunktion) und mit all den Figuren und ihren seltsamen Namen. Staffel 1 ist im Grunde ein langer Auftakt der dazu dient, damit sich das Main-Trio finden kann –
© Netflix
Ich habe weder die Bücher noch die Spiele konsumiert. Bin daher komplett unbefleckt an die Serie herangegangen, da mit der Trailer sehr zugesagt hat. Die ersten zwei Folgen empfinde ich als etwas zäh und wirklich auch zu stark überladen. Es werden sehr viele Namen einem an den Kopf geklatscht, ohne dass man ab und an weiß, ob diese nun für Personen oder Reiche sind. Gerade die Szenen in Cintra haben mich überfordert, da ich nicht ganz durchblickte, wie Ciri da mit wem verwandt ist. Ab der dritten Folge wurde es aber besser, weil ich finde dass der Erzählfluss flüssiger wird und auch die Balance aus Action und Handlung gefunden wird. Ab da an machte mir die Serie auch sehr viel Spaß, vor allem als Ritterspron dazu kommt. Sein nettes Lied bekam ich nämlich nicht mehr aus dem Kopf und ich finde auch so bringt diese Figur eine nette Portion Humor mithinein.
Geralt von Riva…. Charakterlich sofort nach meinem Geschmack, denn ich steh auf so grummelige Typen, gab er mir nur einige Rätsel auf. Wird er ständig als Hexer bezeichnet, war mir nicht wirklich ersichtlich warum. Wirklich oft zaubern tut er nicht und auch leider wird im Verlauf nicht wirklich viel dazu erklärt. Gerade was es mit diesen kleinen Fläschchen auf sich hat, die er gerne einmal einnimmt. Tja, trotzdem eine Figur, der ich gerne zuschaue.
Probleme hatte ich hingegen mit Yennefer, was eher dem Erzählfluss vorgeworfen werden muss. Natürlich hatte auch ich Mitleid mit ihr und verstehe auch ihre Wandlung zur machthungrigen Zauberin, die wirklich alles opfert. Doch der Wechsel, dass sie ihre Taten bereut und vor allem ein Kind möchte, kam mir doch etwas zu plötzlich. Klar es sind viele Jahre ins Land gezogen, doch für uns Zuschauer, war es halt nur eine Folge.
Ciri hingegen ist das arme Kind das von A nach B gescheucht wird. Ich hoffe daher, dass sie in der zweiten Staffel mehr zeigen kann, denn so hat sie keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, wenn man von der einen Prophezeiung mal absieht.
Was mich begeistert hat, war die Erzählweise, dass nur Ciris Geschichte in der Gegenwart ist und die der anderen beiden sich langsam auf die Ereignisse der ersten Folge zubewegen. Gerade warum Calanthe Ciri losschickt Geralt zu suchen, macht dann einfach mehr Sinn und vor allem wird es tragischer, was in Cintra passiert.
Insgesamt ist die erste Staffel von The Witcher nicht ganz rund geworden, macht aber definitiv neugierig auf mehr. Ich wünsche mir dann nur, dass es eine doch größeren roten Faden gibt und nicht mehr ganz so viele Eintagsfliegengegnger für Geralt. Dieses Monster of the week-System mag ich einfach nicht.
Danke für die ganzen Infos über den Autor, und die Entstehung der Spiele. Die Serie hat mich neugierig auf Bücher gemacht. Eine Frage dazu: Wo fang ich da am besten an mit lesen?
Ja, eine richtige Erklärung des Hexerdaseins blieb aus. Stichwort “Man wird ohne Eklärung in die Welt hinein geworden”. Hexer verfügen über rudimentäre magische Fähigkeiten, sie können also ein paar wenige magische Zeichen wirken. In der Serie wird am häufigsten “Aard” verwendet, wenn ich mich richtig erinnere. “Aard” erzeugt eine psychokinetische Druckwelle.
Zu den Tränken: Das sind Hexer-Tränke, die ihm vorrübergehend besondere Fähigkeiten verleihen – Fähigkeiten, die gerade benötigt werden. Die Tränke sind toxisch, deswegen schaut Geralt nach deren Einnahme auch immer aus wie ein schwarzäugiges Biest mit Schlafentzug.
Und zu Yennefer, das wäre dann das Stichwort “Zerfranste und nicht aufeinander aufbauende Erzählweise”: Auch ich hab mir gedacht, dass ihre Wandlung nun nicht wirklich den besten Untergrund hat.
Die gefiel das “Monster of the week”-Prinzip nicht? Nun, das sind dann aber halt die Kurzgeschichtensammlungen 😀 Ich denke, eine davon solltest du dir geben, und zwar “Der Letzte Wunsch.” Dieser Band dient als Einleitung zur Pentalogie.
Dann kannst du wie gesagt an die Pentalogie ran, also die “Geralt-Saga”.
Wenn du dann noch genug angefixt bist, kannst du noch die anderen Kurzgeschichtenbände lesen. In dem Band “Etwas endet, etwas beginnt” liest man z.B. über Geralts Eltern oder die Hochzeit des Hexers miiiit….?
Dann gibt es noch den Einzelband “Die Zeit des Sturms”, der neuste Band aus dem Jahre 2013. Er ist chronlogisch irgendwio zwischen Kurzgeschichten und Hauptssaga anzusiedeln. Aber das nur zur Info.
Lange Rede, kurzer Sinn: “Der Letzte Wunsch” und dann die “Geralt-Saga”. Meine Empfehlung.
Die Druckwellen sind mir aufgefallen. Gerade in der ersten Folge, setzt er die ganz geschickt im finalen Kampf ein. Danke für die Erklärung mit den Tränken. Das sie ein Powerup waren kommt rüber aber die Nachwirkungen, waren nicht immer so 100% ersichtlich.
In Serien mag ich es nicht, wenn der Held in jeder Folge einen neuen Gegner hat. The Witcher hat zum Glück mehrere Handlungen, weswegen es jetzt nicht ganz schlimm war aber ein paar mehr Gegenspieler, die er immer wieder antrifft, wären schon nicht schlecht. Ein zwei Folgenübergange hätten sie auch etwas geschickter lösen müssen. Die Folge mit dem Genie fängt zum Beispiel für mich seltsam an. Da sucht Geralt ihn wegen seinem Schlafproblem und für mich war nicht bekannt, dass er welche hat.
Wenn ich mal drin bin in einer Reihe, lese ich schon alles. Danke aber für den Tipp wo ich am besten anfangen soll. Hab gestern ein wenig auf Wikipedia mich deswegen versucht schlauch zu machen aber da musste ich aufpassen, mich nicht gleich komplett zu spoilern X_X
Ach und fast vergessen: Ich mag das Opening in der letzten Folge. Da gab es ja dann auch endlich wirklich eins. Und seit ich heute morgen meine Meinung geschrieben habe, habe ich Rittersporns Lobeshymne wieder als Ohrwurm. Gebt Gold eurem Hexer…