Watchmen
Bis zum Erscheinen des Films galt die Comic-Vorlage Watchmen in Fankreisen als unverfilmbar. Bis US-Regisseur Zack Snyder schließlich das scheinbar Unmögliche wahr machte und eine Adaption (Watchmen – Die Wächter) ablieferte, die auf geteilte Meinungen stieß. Dass zehn Jahre später schließlich dank HBO eine Serie in Produktion gehen sollte, war noch lange nicht absehbar. Serienschöpfer Damon Lindelof hat mit dem Neunteiler seine ganz eigene Version von Watchmen erschaffen. Damit es keine Kollision mit den bisherigen Geschichten gibt, wurde eine alternative Zeitlinie erfunden, in der es die Originalcharaktere und deren Geschichten zwar gab, doch im handlungsgebenden Jahr 2019 ist viel Zeit ins Land gezogen. Die Gefahr, es sich mit den Fans zu verscherzen, ist also groß. Dank Sky Ticket durften sich deutsche Fans im Herbst 2019 bereits ein Bild von der ersten Staffel machen, ehe sie im Juli des darauf folgenden Jahres in den Handel kam. Diese ist in sich abgeschlossen, Pläne für eine weitere Staffel existieren nicht.
Oklahoma, 2019: Drei Jahre zuvor terrorisierte eine rassistische Gruppe die Polizei und ihre Familien. Die “Siebte Kavallerie” ist eine rassistische Terrorgruppe, die aus Weißen besteht und sich als die legitimen Nachfolger Rorschachs erachtet. Diese Organisation wurde damals in den Untergrund verbannt, doch mit Konsequenzen: Handys und Internet sind seitdem verboten. Als Gegenreaktion tragen Polizisten gelbe Masken, um ihre Identität zu schützen, aber selbst Schüsse aus Dienstwaffen erfordern eine vorherige Freigabe. Als der linke US-Präsident (Robert Redford, Avengers: Endgame) ein neues Gesetz verabschiedet, welches Opfer und Angehörige von Terroranschlägen von Steuerzahlungen befreit, ist das Land gespalten und die “Siebte Kavallerie” kehrt wieder zurück. Mittendrin steckt die Kriminalbeamtin Angela Abar (Regina King, The Leftovers), auch bekannt als Sister Night. Auf der anderen Seite ermittelt die geheimnisvolle FBI-Agentin Laurie Blake (Jean Smart, Garden State) in der Stadt.
Wenn der Name eines Serienschöpfers Fans schwitzen lässt …
Originaltitel | Watchmen |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Episoden | 9 (in 1 Staffel) |
Genre | Science-Fiction, Drama |
Cast | Angela Abar / Sister Night: Regina King Cal Abar: Yahya Abdul-Mateen II Adrian Veidt: Jeremy Irons Red Scare: Andrew Howard Laurie Blake: Jean Smart Lady Trieu: Hong Chau Wade Tillman / Looking Glass: Tim Blake Nelson Jane Crawford: Frances Fisher Will Reeves: Louis Gossett Jr. |
Veröffentlichung: 30. Juli 2020 |
Alan Moores Comic-Vorlage gilt als Meisterwerk, das es als einziger Comic-Titel überhaupt auf die TIME-Liste der 100 besten Romane schaffte. Die Geschichte über zerrüttete Heldenfiguren, die weit entfernt von Glanz und Superheldentum sind, entpuppte sich als regelrechter Erzählkomplex, der ganz ohne klassische Gut & Böse-Muster auskommt. Serienschöpfer Lindelof betont, dass ihm der Comic heilig sei und es gar nicht in seinem Sinne war, die Geschichte neu zu erzählen oder fortzuführen. Und in der Tat ist Lindelof keine Person, deren Filmografie Erwartungen weckt: Als Drehbuchautor von Prometheus verscherzte er es sich mit den Alien-Fans, seine Serie Lost besitzt eine ebenso breite Anhängerschaft wie das Drehbuch Logiklücken und was Star Trek-Fans von Star Trek: Into Darkness halten … Zu Gute halten muss man ihm allerdings, dass er einem Originaldrehbuch folgt, was neue Chancen eröffnet. Denn Zack Snyder folgte der Comic-Adaption sozusagen Panel für Panel, um die Abwesenheit des Comic-Autors Alan Moore zu kompensieren.
Den Nerv der Zeit getroffen
Die Serie bedient sich am offiziellen Kanon: Der Comedian ist tot, Dan und Laurie verliebten sich ineinander, Ozymandias rettete die Welt und Dr. Manhattan kehrte ihm den Rücken zu. Der Einstieg in die Geschichte findet mit einem Blick auf die traurige Vergangenheit statt: Das Massaker von Tulsa. Doch die Geschichte bleibt nicht in der Vergangenheit hängen, sondern atmet rasch den Zeitgeist von 2019. Das stellt eine Parallele zum Comic dar: Das Original wurde Mitte der 80er geschrieben und spiegelte ebenfalls den damaligen Zeitgeist unter der Führung Reagan / Thatcher sowie die Spannungen zwischen den USA und der Sowjetunion wieder. In 2019 ist vor allem Rassismus ein großes Thema und die Ära Trump, May und Putin fühlt sich auch als eine solche an.
Den Nerv jedes zweiten Zuschauers getroffen
Watchmen ist eine Spalter-Serie. Keine, die auf solche oder solche Meinungen stößt, sondern nur das Extrem kennt. Auf den Online-Datenbanken bringt die Serie einen hohen Kritiker-Score mit, doch jeder zweite Zuschauer bewertet sie verheerend schlecht. Das liegt vor allem an dem zum Teil extremen Umgang mit dem Thema Hautfarbe. Dieses ist spürbar platziert und wird immer wieder aufgeworfen, worin viele Zuschauer “Race-Baiting” sehen: Die Serie lasse den Zuschauern keine Wahl, sondern drücke ihnen eine politische Agenda auf. Dass dann auch noch Vietnam als US-Bundesstaat anerkannt ist, war für einige Zuschauer zuviel Fiktion. Allerdings ist es auch viel verlangt, Watchmen ganz unpolitisch betrachten zu wollen. Das ist der Comic nicht, der Film nicht und die Serie auch nicht. Ohne diese Brisanz wäre das nicht Watchmen. Für eine Superheldenserie mag das für manch einen nicht zumutbar zu sein. Aber trotz ansehnlicher Actionszenen und übernatürlicher Elemente könnte die HBO-Produktion kaum seriöser sein und stellt ihre Dialoge deutlich in den Vordergrund.
Gemixter Cast
Angela gibt eine nahbare und sympathische Hauptfigur ab. Übrigens die erste afroamerikanische Superheldin mit einer solch prominenten Rolle. Ihre Sister Night trägt ein Gewand, irgendwo zwischen Nonne und Ninja angeseidelt. Zu den wohl spannendsten Charakteren zählt Angelas Kollege Wade (alias Looking Glass). Er trägt eine verspiegelte Maske und kann Rassisten mit einer ganz speziellen Verhörtechnik entlarven. Angetrieben wird Angelas Geschichte vor allem aber durch ihren Chef, Judd Crawford (Don Johnson, Django Unchained), welcher ein enges Verhältnis zu ihrer Familie pflegt. Fans des Comics bzw. Films dürfen sich aber auch auf das eine oder andere Wiedersehen freuen. Zu den schillerndsten Parts zählt ohne Frage Laurie Blake, welche als abgebrühte FBI-Agentin immer einen Schritt voraus und sich für nichts zu schade ist. Der extrem diverse Cast wird durch die vietnamesische Trillionärin Lady Trieu (Hong Chau, Downsizing) bereichert. Jeremy Irons (Die Unzertrennlichen) als Adrian Veidt spielt ohnehin in einer ganz eigenen Klasse.
Ausgewogenes Sci-Fi-Maß
Ästhetisch bediente man sich bei der TV-Serie an offensichtlichen Vorbildern wie Blade Runner und Children of Men. Das Jahr 2019 bietet softe Science-Fiction-Einlagen. Keine futuristischen Städte, aber Technologien, die den unseren voraus sind. Stilistisch fällt das angenehm intuitiv aus. Es gibt keinen Moment, in dem man sich über zuviel Fortschritt wundert. Die Staffel weist außerdem zahlreiche Easter Eggs in Anlehnung an das Original auf. Dementsprechend ist Gelb als Farbe omnipräsent. Allerdings sind diese für ein Verständnis nicht voraussetzend. Es ist hilfreich, Vorwissen mitzubringen, doch auch ohne gestaltet sich die Serie angenehm eigenständig und hört gar nicht mehr auf, unwissenden Zuschauern zu erklären, wieso die Dinge sind, wie sie sind.
Fazit
Watchmen ist eine Verbeugung vor dem Comic und fühlt sich in seinem Ergebnis nach dem an, wie Serienschöpfer Lindelof es beschreibt: ein Remix. Angenehmerweise werden Zuschauer nicht unwissend in die Zukunft entlassen, sondern erhalten Antworten auf ihre Fragen. Keine Selbstverständlichkeit. Vor allem die zweite Hälfte gewinnt an Tiefgang und Fahrt, während in der ersten Hälfte besonders die Einführung der durch die Bank ausgefallenen Charaktere begeistert. Der größte Schwachpunkt ist Jammern auf hohem Niveau: Beide Staffelhälften fallen unterschiedlich aus, wollen aber nicht so recht ein großes Ganzes ergeben. Das ändert nichts daran, dass Watchmen zu den stärksten Vertretern des Serienjahres 2019 zählt. Diese Produktion ist gerade deswegen so gut, weil sie sich nicht um irgendeine Hauptzielgruppe schert, sondern ihr eigenes Ding macht.
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