Yu Yu Hakusho
Der Streaming-Anbieter Netflix gibt in Sachen Realverfilmung von Manga-Serien nicht auf ‒ trotz mancher vernichtender Kritiken in der Vergangenheit. Doch nicht alles, was Netflix in die Finger kriegt, verfällt zu Staub und gerät dann in Vergessenheit. Dies beweist nämlich die Verfilmung von One Piece, die innerhalb kurzer Zeit die Spitze der Netflix-Charts eroberte. Ein überraschender Erfolg, der nahezu jede vorverurteilende Stimme wegfegte. Allerdings hört es mit One Piece nicht auf, denn mit Yu Yu Hakusho schnappte sich der Streaming-Dienst eine weitere erfolgreiche Manga-Serie aus dem Weekly Shonen Jump-Magazin. Hinter der Vorlage steckt niemand geringeres als der Hunter x Hunter-Schöpfer Yoshihiro Togashi, der schon in den 90ern mit der Geschichte rund um Geisterdetektiv Yusuke Urameshi einen großen Hit landete. Seit Dezember 2023 kann das deutsche Publikum die actionreichen Live Action-Abenteuer des Geisterdetektivs verfolgen und belohnt wurde dies mit einer Platzierung in den Top 10 von Netflix.
Yusuke Urameshi (Takumi Kitamura, Tokyo Revengers) gehört nicht gerade zu den vorbildlichsten Schülern. Ständig gerät er in Schlägereien mit anderen Schülern oder gar ganzen Gangs. Insbesondere der leicht zu provozierende Kazuma Kuwabara (Shuhei Uesugi, One Room Angel) hat es auf Yusuke abgesehen, dessen Anzahl an Niederlagen sich immer weiter häuft. Doch Yusuke hat auch gute Seiten, denn als ein kleiner Junge in die Gefahr gerät, von einem Truck überfahren zu werden, zögert er keine Sekunde, um das Kind zu retten. Während der Junge unversehrt bleibt, muss Yusuke feststellen, dass er selbst tot ist. Sein zu frühes Ableben war jedoch nicht vorgesehen und die Handlung passte nicht zu seinem schlechten Ruf, weswegen sogar die Geisterwelt von seiner guten Tat überrascht ist. Ihm wird daher von Koenma (Keita Machida, Alice in Borderland), dem Prinzen der Geisterwelt, die Möglichkeit eingeräumt, ins Leben zurückzukehren. Im Gegenzug muss er als Geisterdetektiv agieren und sich damit in gefährliche Abenteuer stürzen.
Rebell wird zum Retter
Originaltitel | Yu Yu Hakusho |
Jahr | 2023 |
Land | Japan |
Episoden | 5 (in 1 Staffel) |
Genre | Action, Abenteuer, Supernatural |
Cast | Yusuke Urameshi: Takumi Kitamura Kazuma Kuwabara: Shuhei Uesugi Kurama: Jun Shison Hiei: Kanata Hongo Keiko Yukimura: Sei Shiraishi Koenma: Keita Machida |
Veröffentlichung: 14. Dezember 2023 auf Netflix |
Die Serie beginnt mit einer den Manga-Fans vertrauten Szene, denn Yusuke weilt nicht mehr unter den Lebenden und muss dies erst einmal realisieren. Danach folgt ein Rückblick, was vier Stunden zuvor geschah und zugleich wird aufgeklärt, welches Ereignis zu seinem tragischen Tod führte. In dieser Zeit wird Yusukes rebellische Persönlichkeit unterstrichen, denn er raucht Zigaretten, schwänzt die Schule, verwickelt sich in Prügeleien und lässt sich generell nichts gefallen. Jedoch gibt es noch eine andere Seite an ihm, die positiv hervorsticht. So legt er sich mit Mobbern an, die einen Jungen in der Schule quälen. Seine gute Tat wird jedoch missverstanden, denn der Lehrer geht davon aus, dass Yusuke sich wie üblich prügelt. Der Ruf als Raufbold schadet ihm hierbei, aber er unternimmt auch nichts, um die Situation zu erklären. Die Folge ist, dass ihn seine Mitmenschen vorverurteilen und meiden. Nur seine Schulfreundin Keiko (Sei Shiraishi, Terror Newspaper) sieht ihn mit anderen Augen, denn sie weiß, dass er das Herz am rechten Fleck hat. Das Ganze wird noch mit dem Vorfall des Trucks gestützt, denn Yusuke rettet einen kleinen Jungen und wird zum Helden, dabei jedoch selbst vom Truck überrollt und schwer verletzt, was letztendlich zum Tode führt. Ab dem Zeitpunkt wird die Seelengeleiterin Botan (Kotone Furukawa, Das Glücksrad) in die Handlung eingeführt, denn sie bringt Yusuke zu Koenma. Dieser ist derjenige, der darüber entscheidet, ob ein Verstorbener in den Himmel oder die Hölle gelangt. Dafür sieht er sich das Leben der Verstorbenen an, um seine Entscheidung zu treffen. Doch Yusukes Ableben kam unerwartet und so bietet ihm Koenma die Chance ins Leben zurückzukehren. Allerdings nur unter der Bedingung, dass er als Geisterdetektiv agiert. Yusuke lehnt zunächst ab, denn es würde ohnehin niemand um ihn trauern. Schon bald ändert er jedoch seine Entscheidung, denn das Leid seiner Mutter und seiner Freundin Keiko ist für ihn nicht zu ertragen. Damit beginnt auch schon seine Arbeit, denn er muss den Grund herausfinden, warum Dämonen in der Menschenwelt auftauchen.
Ein großes Unheil abwenden
Es wird erklärt, dass die Welten der Menschen und der Dämonen ursprünglich miteinander verbunden waren. Da es jedoch zu massiven Problemen führte, wurden die beiden Welten getrennt. Dies geschah durch die Geisterwelt und eine Barriere dazwischen. Allerdings beweisen die neusten Ereignisse, dass dies nicht ganz funktioniert. Es tauchen nämlich immer mehr Dämonen auf und manche Menschen mit negativen Gefühlen sind dann von diesen besessen. Schnell muss Yusuke feststellen, dass die Gegner mächtig sind und er seine spirituellen Kräfte besser kontrollieren muss. Hierbei kommt die Kampfkunst-Meisterin Genkai (Meiko Kaji, Lady Snowblood) ins Spiel, denn sie trainiert Yusuke und bringt ihm bei, wie er seine spirituellen Kräfte als “Rei-Gun” besonders kraftvoll abfeuern kann. Bei seiner Aufgabe die Dämonen zu bekämpfen, bleibt Yusuke jedoch nicht allein. Kazuma Kuwabara ist mit von der Partie, denn auch er besitzt spirituelle Kräfte und kann sogar Botan sehen, die normalerweise für Menschen unsichtbar ist. Des Weiteren schließen sich ihm mit Kurama (Jun Shison, Request to the Angel) und Hiei (Joichiro Nishi in Gantz) zwei starke Dämonen an, die ursprünglich eher zum gegnerischen Pol gehörten. Beide verfolgen auch ihre eigenen Ziele, wie sich in den Folgen herausstellt. Mit der Zeit kommen die Hauptcharaktere hinter das Bestreben der Antagonisten, denn diese wollen dafür sorgen, dass die Welten der Menschen und Dämonen wieder miteinander verbunden werden. Dieses Unheil gilt es mit allen Mitteln abzuwenden und so muss sich das Quartett einigen Gegnern stellen, die nicht zu unterschätzen sind. Daneben hat die Befreiung von Yusukes Freundin Keiko und Hieis Schwester Yukina oberste Priorität, denn diese befinden sich in der Gewalt der Bösewichte.
Yu Yu Hakusho im Schnelldurchlauf
Im Vergleich zum Originalwerk legt die Realserie eine sehr temporeiche Erzählung an den Tag. Dies lässt sich am besten als “Yu Yu Hakusho im Schnelldurchlauf” bezeichnen, denn fünf Folgen sind recht mager angesichts der umfangreichen Vorlage von 19 Bänden. Generell konnte sich Drehbuchautor Tatsuro Mishima (Zom 100: Bucket List of the Dead) offensichtlich nicht entscheiden, welche Saga er erzählen wollte. So erhält das Publikum eine Mischung aus den Handlungsbögen “Spirit Detective” und “Dark Tournament”. Doch was genau bedeutet das jetzt? Im Grunde nur dass einige Figuren, die erst später auftauchen, in der Realserie schon deutlich früher zu sehen sind. Dies gilt für die Toguro-Brüder, Karasu und einige weitere Charaktere. Zudem wird auf ein echtes Turnier verzichtet, da die Kämpfe an anderen Orten stattfinden. Hierbei sind wieder Elemente aus dem “Spirit Detective”-Abschnitt übernommen worden, denn die Antagonisten schließen Wetten ab, wer die Kämpfe gewinnt. Genauer betrachtet bietet die Adaption nichts wirklich Ganzes, wie es die Fans erwarten würden. Daher werden Neueinsteiger deutlich mehr Freude mit der Realumsetzung des Titels haben, als eingefleischte Manga-Fans. Wenn jedoch vom Tempo abgesehen wird, dann kann sich die Verfilmung durchaus sehen lassen. Gerade die Figuren sind größtenteils gut gecastet und die Darsteller glänzen in ihren Rollen. Besonders positiv hervorzuheben sind Takumi Kitamura als Yusuke Urameshi, Kanata Hongo als Hiei und Go Ayano (Sato in Ajin: Demi-Human) als Younger Toguro. Diese sind nicht nur schauspielerisch, sondern auch optisch eine gute Wahl für die Charaktere. Schwieriger fiel die Besetzung von Kurama aus, denn Schauspieler Jun Shison trifft optisch nicht ganz die Erwartungen der Manga-Fans. Da Kurama im Original recht feminin wirkt, ist es auch nicht einfach, die richtige Besetzung für ihn zu finden. Wenn jedoch von dem Punkt abgesehen wird, dann kann Shison in seiner Rolle überzeugen.
Eindrucksvolle Action als Herzstück
Yu Yu Hakusho aus der Zeichenfeder von Yoshihiro Togashi erblickte im Jahr 1990 das Licht der Welt und mauserte sich in Japan schnell zu einem großen Erfolg. Hierzulande sah es lange düster für den Klassiker aus, aber ab Juli 2024 wird der Manga auch erstmalig in Deutschland bei Manga Cult veröffentlicht. Somit gelangt nach Hunter x Hunter noch ein weiteres populäres Werk von Togashi in die deutschen Verkaufsregale. Darüber hinaus gibt es noch mit Yu Yu Hakusho: Ghost Files eine Anime-Adaption, die in Japan von 1992 bis 1995 ausgestrahlt wurde. Diese kommt auf stolze 112 Folgen und setzt den Manga von Anfang bis Ende um. Trotz der Tatsache, dass Yu Yu Hakusho in den 90ern veröffentlicht wurde, erfreut es sich weiterhin enormer Beliebtheit. Nicht verwunderlich, dass die Serie als Inspirationsquelle für viele Mangakas gegenwärtiger Shonen-Mangas dient. Und erst recht nicht überraschend, dass Netflix sich die Serie herausgepickt hat, um eine Realserie zu produzieren. Das Werk ist schon lange für seine geballte Ladung Action bekannt und es ist offensichtlich, dass Netflix das Hauptaugenmerk auf diese gelegt hat. So sind die actionreichen Szenen eindeutig das Herzstück des Projekts. Dabei wurden die Kämpfe mit 170 Kameras in 360 Grad-Sicht gedreht. Herausgekommen sind dynamische und eindrucksvolle Kämpfe, die es in dieser Weise nur selten bei Realverfilmungen von Shonen-Mangas zusehen gibt. Es lässt sich nur erahnen, wie viel Aufwand und Liebe seitens Produktion darin gesteckt wurden. Als Highlights stellen sich die Kämpfe Kurama vs. Karasu und Yusuke vs. Younger Toguro heraus, die eindeutig dem “Dark Tournament” entliehen sind. Doch nicht nur die Fights können die Zuschauerschaft ins Staunen versetzen, denn auch die Effekte und Kulissen sind hervorragend umgesetzt. Ein Augenschmaus ist zudem eine Abschiedsszene in der letzten Folge, die recht nah am Original umgesetzt wurde. An Budget hat Netflix also keineswegs gespart, wenn das Gesamtergebnis betrachtet wird. Der Soundtrack von Yutaka Yamada (Tokyo Ghoul) hinterlässt hingegen keinen bleibenden Eindruck. Kein Vergleich zur Anime-Serie, die dank Yusuke Honma (Fushigi Yuugi) eine erinnerungswürdige Hintergrundmusik aufweist. Fans der animierten Version dürfen in der Verfilmung noch ein altbekanntes Lied wiederhören, denn der Fahrer des Trucks, dem Yusuke zum Opfer fällt, hört den Opening-Song “Hohoemi no Bakudan”.
Fazit
Wenn Netflix sich an einen beliebten Manga-Klassiker wie Yu Yu Hakusho herantraut, dann ist das schon ziemlich ambitioniert. Erst recht, wenn der Streaming-Dienst dann so knausrig ist und dem Ganzen nur fünf Folgen spendiert. Genauer gesagt wird hierin das Tempo eines Speedboots an den Tag gelegt. Langweilig wird dem Publikum dabei definitiv nicht, denn es ist immerhin eine Menge los. Jedoch können die dynamischen und beeindruckenden Actionszenen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschichte viel zu schnell voranschreitet. Zumal auch weniger Zeit dafür bleibt, die Figuren stärker auszubauen. Dies ist schade, denn dadurch wird die Genialität der Vorlage nicht vollständig in der Realverfilmung wiedergegeben. Ganz tragisch ist es dennoch nicht, denn die Produktion macht trotzdem viel Spaß und muss sich keineswegs verstecken. Der Showdown in der letzten Folge hinterlässt bei mir Gefühle der Begeisterung und die Umsetzung erfreut mein Herz. Am Ende kann ich nur sagen: Wer nach actionreichen Werken sucht, kann mit dem Titel nicht allzu viel falsch machen, denn die Kämpfe sind das Herzstück des Projekts. Schon allein deswegen lohnt es sich, Yu Yu Hakusho anzusehen.
© Netflix