Guns Akimbo
Man wacht morgens auf und stellt fest, dass das initiale Kratzen an einer Stelle persönlicher Wahl wegfällt. Denn in den Händen prangen zwei Waffen, die sich partout nicht mehr entfernen lassen. Da wird der Hilferuf mit dem Smartphone ebenso zur Herausforderung wie der Toilettengang. So ergeht es Daniel Radcliffe (Harry Potter) in Jason Lei Howdens (Deathgasm) Film Guns Akimbo. Ein Vollgasfilm für die junge Generation, die vielleicht einst für Crank zu jung war und mit diesem Adrenalinrausch nun auf ihre Kosten kommen soll. Ob die Action-Komödie das Zeug hat, um die Massen zu erobern, ist allerdings trotz prominenter Besetzung fraglich. Überzeugen können sich Zuschauer ab dem 4. Dezember 2020 von Guns Akimbo.
Der Videospiel-Programmierer Miles (Daniel Radcliffe) hat keinen sonderlich spannenden Alltag. Der End-20er lässt sich ziel- und planlos durch das Leben treiben. Schlagartig ändert sich alles, als er an eine zwielichtige Organisation gerät, die Menschen in einem Spiel auf Leben und Tod aufeinander loslässt. Der online übertragene Gladiatorenkampf fordert den Überlebensinstinkt aller Beteiligten und auch Miles muss sich nun in dieser Schlacht bewähren. Sein Gegenüber ist die scheinbar unbesiegbare Nix (Samara Weaving, Ready or Not). Es folgt ein unerbittlicher Kampf, bei dem das Leben von Miles’ Ex-Freundin Nova (Natasha Liu Bordizzo, Hotel Mumbai) auf dem Spiel steht …
Akimbo was?
Originaltitel | Guns Akimbo |
Jahr | 2019 |
Land | USA |
Genre | Action-Komödie |
Regie | Jason Lei Howden |
Cast | Miles: Daniel Radcliffe Dane: Mark Rowley Nix: Samara Weaving Glenjamin: Rhys Darby Riktor: Ned Dennehy Nova: Natasha Liu Bordizzo |
Laufzeit | 98 Minuten |
FSK | |
Veröffentlichung: 4. Dezember 2020 |
“Akimbo” bedeutet nicht einfach nur das Stemmen beider Arme in die Hüfte, wie das von vielen popkulturellen Charakteren wie etwa Wonder Woman bekannt ist. Innerhalb der Gaming-Szene etablierte sich der Begriff in den letzten zwei Jahrzehnten und bringt zum Ausdruck, dass ein Charakter zwei Waffen mit zwei Händen führt. Ein populäres Beispiel dafür ist Lara Croft aus Tomb Raider. Schon in ihrem Debüt Tomb Raider 1996 waren die zwei gleichzeitig geführten Pistolen ihr Markenzeichen. Tatsächlich geht diese Anwendung aber noch weiter zurück, nämlich bis in den Wilden Westen. Damals existierten noch keine automatischen Waffen und nach jedem Schuss aus dem Revolver musste manuell gespannt werden. Findige Cowboys kamen dann jedoch auf die Idee, ihre Waffen einhändig zu spannen und zeitgleich mit einer zweiten Waffe in der anderen Hand zu schießen. So konnte die Feuerrate verdoppelt und die Treffchancen erhöht werden. Doppel-Befeuerung ist auch das, wofür auch Guns Akimbo steht.
Endloser Popkultur-Walzer
Guns Akimbo ist zumindest thematisch nahe am Puls der Zeit und spielt in einer Welt, in der keinerlei Trennung mehr zwischen online und offline stattfindet. Die Welt ist ein großer Augmented Reality-Spielplatz und wurde dementsprechend gamifiziert. Wenn Miles zu seinem Asthma Spray-Inhalator greift, erklingt ein Extraleben-Sound, wie man ihn aus der Super Mario-Reihe kennt. Charaktere werden mit Freeze Frame und Beschreibungstexten eingeführt und sowieso wurden zahlreiche Game-Elemente eingebaut, die den Eindruck untermauern sollen, dass Guns Akimbo eben die virtuelle Realität längst hinter sich gelassen hat, um eine reelle Virtualität zu erschaffen. Dazu kommt eine vielfache Dosis an Popkultur, parodischen Szenen und Split-Screens. Der Wille, eine neue Referenz zu erschaffen, ist deutlich erkennbar. Dafür zerlegt sich der Film immer wieder in meme-taugliche Sequenzen und Partikel, lässt Miles mit einem Obdachlosen palavern, als sei der Dialog wie geschaffen, um auch noch in Jahren herauf und hinunter zitiert zu werden. Untermengt von Momenten, die an GTA oder Duke Nukem erinnern. Eben alles, womit eine junge Generation begeistert werden soll. Aber nie so locker wie beabsichtigt, sondern immer so mühevoll wie sicherlich kaum gewollt.
Kalkuliert abstrus
Passend zur inhaltlichen Ausrichtung sind auch Look & Feel des Films in Videoclip-Ästhetik gehalten. Inklusive der Gewaltszenen, die gerne in übertriebenen Blutfontänen ausarten. Hauptsache nicht zu realistisch und lieber zweimal mehr als nötig. Und überhaupt: Was sich hier und da wie ein Nerdspaß anhören mag, ist so ziemlich das Gegenteil. Denn Guns Akimbo bauscht sich als Abrechnung mit dem überzogenen Online-Verhalten auf, das mancher Nutzer an den Tag legt, der in der Realität selbst bei einer Aufforderung lieber wegduckt. Letztlich verstummt diese Kritik aber auch mit verstreichender Laufzeit, sodass die Kritik an Voyeurismus und Gewalt vorgeschoben wirkt, zumal Jason Lei Howden sich eben an jenen Themen in ganz plakativer Weise ergötzt. Wie konsistent sollen Zuschauer es finden, wenn sie auf der einen Seite die Ultrabrutalität des Films feiern sollen, gleichzeitig aber daran erinnert werden, wie moralisch verwerflich Lust an Brutalität doch ist?
Radcliffe und Weaving gegen das Drehbuch
Hauptfigur Miles ist nicht unbedingt das, was einen Sympathieträger ausmacht. Er lässt im Internet die Hosen runter, ist gemeinhin das, was man als einen Troll bezeichnet. Während er online den Rambo heraushängen lässt, vereint er offline Gutmenschtum und Mobbingopfer. Einige Widersprüche finden in ihm zusammen. Einen roten Faden sucht man bei der Rollenauswahl von Daniel Radcliff ebenfalls vergebens: Es scheint, als würde er jede noch so schrullige Rolle annehmen, um sich von seinem Harry Potter-Image, das er ohnehin längst hinter sich gelassen hat, noch weiter wegkämpfen wollen. Sowohl für Radcliffe als auch Samara Weaving fallen die Rollen ziemlich undankbar aus. Zwar liefern beide ab, werden aber kaum für diese Auftritte langfristig im Gedächtnis bleiben, da die schauspielerische Herausforderung schlicht überschaubar ist. Zumal sich der Großteil der Wendungen treffsicher im Voraus ableiten lässt.
Fazit
Guns Akimbo ist wie eine leere Leinwand, auf die allerlei Farbkleckse geschmissen werden und die anschließend als teure Kunst weiterverkauft werden soll. Entweder man gibt nicht viel auf die Willkür an Momenten und Sequenzen oder sieht darin tatsächlich die Genialität, die man sehen soll. Irgendeinen Inhalt benötigt der Film, also fiel die einfachste Variante auf ein tödliches Spiel, aber selbst dieser Anlass genügt nicht, um das berstend vollgestopfte Allerlei irgendwie noch zu rechtfertigen. Immerhin nimmt sich der Titel selbst nicht ernst, trotzdem wird es für Zuschauer über 16 Jahren mit zunehmendem Alter schwerer, Guns Akimbo abgesehen von den optischen Reizen viel abzugewinnen.
© Leonine