Doctor Who (Folge 11×07)

Shoppen nach Herzenslust vom eigenen Wohnzimmer. Konsum kann so einfach sein. Aber was ist mit den Leuten, die all die schönen Päckchen zusammenstellen, die wir uns dauernd liefern lassen? Und jetzt stelle man sich die Logistik für ein Unternehmen vor, das quer durch die Galaxis liefert. Willkommen bei Kerb!am, wo sogar 10% der Arbeiterschaft noch humanoid sind. Doch irgendwer scheint unzufrieden und sendet einen Hilferuf, was uns eine neue Folge Doctor Who ganz ohne Versandkosten beschert.

Ein Lieferbot teleportiert sich direkt in die TARDIS und der Doctor ist entzückt etwas von Kerb!am zu erhalten, obwohl sie sich gar nicht an ihre letzte Bestellung erinnert. Der Fez hätte dem elften Doctor sicherlich gut gefallen, aber wichtiger ist eine Nachricht auf dem Lieferschein, die ganz nüchtern um Hilfe bittet. Ein Trip zum Kerb!am Hauptquartier, das auf einem Mond beheimatet ist, steht an. Die Fabrik ist größtenteils automatisiert, aber knapp zehntausend organische Arbeiter gibt es zwischen all den Maschinen und Robotern noch. Perfekt, dass der Doctor, Graham, Ryan und Yaz sich undercover einschleichen können, um herauszufinden, was hier wohl im Argen liegt. Schon bald ist klar, dass einige Mitarbeiter spurlos verschwunden sind und sich niemand in der dünn besetzten Chefetage verantwortlich fühlt. Das System reguliert sich schließlich selbst.

Kerblam!

Es braucht keinen detektivischen Spürsinn, um zu entschlüsseln welche globale Firma hier Pate für einen intergalaktischen Versandhandel steht. Ein wenig Neid kommt aber auf, wenn der Doctor sich anfangs wie ein kleines Kind freut, dass der Kerb!am-Mann auftaucht. Dank eines eingebauten Teleporters wird das Päckchen schnell und direkt zugestellt, ohne dass ein Lieferdienstmitarbeiter Klingelstreiche spielt. Echter Fortschritt. Während der Ersteindruck ein positiver ist, wirken die starren Gesichtszüge mit den leuchtenden LED-Augen aber schnell eher unheilvoll. Eine gruslig angehauchte Grundstimmung macht sich breit, wenn die tapferen vier ihre Posten beziehen und dabei auf Schritt und Tritt überwacht werden. Für Kerb!am zu arbeiten macht weniger Spaß. Vor allem, da das System einen Bio-Scan vornimmt und die Leute auf Grund dieser Daten für die Posten einteilt. Interessant ist dabei, dass der Doctor für die Stelle als Hausmeister vorgesehen ist. Vielleicht weil Inkarnation 11 in dem Job während Staffel 8 einst Erfahrungen sammeln durfte. Jetzt tauscht sie aber mit Graham, da sie beim Einpacken näher an die Bestellzettel rückt, um den Absender der Hilfenachricht zu finden.

Clever erzählt, dabei weniger politisch als möglich

Wer dem Verlauf aufmerksam folgt, wird viele Fakten schnell aneinanderreihen können, um vor der Auflösung ein Gesamtbild der Situation zu haben. Die Brotkrumen sind so gestreut, dass kein Twist aus dem Nichts für ein überraffiniertes Ende herhalten muss. Das macht „Kerblam!“ zu einer rundum soliden Folge. Die Spannungskurve ist gut gezeichnet, ein wenig Humor wird eingestreut, ebenso etwas fürs Herz mit kurzem Druck auf die Tränendrüse und ein bisschen Action gibt’s obendrauf. Während Doctor Who aber besonders seit Einführung von Jodie Whittaker als Doctor vorgeworfen wird, viel zu politisch (korrekt) zu sein, bleibt „Kerblam!“ hinter den Möglichkeiten sogar zurück. Es gibt keine langen Monologe gegen Konsum und Kapitalismus. Das System der Automatisierung wird nicht per se verteufelt. Das Ende erklärt, dass es auf die Benutzer selbst ankommt und auch die werden nicht als elende Ausbeuter ohne Gewissen dargestellt. Holzhammermoral bleibt aus. Spontanen Szenenapplaus verdient sich der Doctor, als sie einem Manager die Leviten bezüglich seines Verhaltens liest. Ein guter Boss kümmert sich um seine Arbeiter und Respekt ist keine Einbahnstraße. Dabei ist selbst dieser Moment nicht zu ernst gestaltet. Dafür gibt es die Lebensgeschichte von Yaz’ Kollegen bei der Warenzusammenstellung. Ein Familienvater, der weit weg ist von zu Hause und sich den Trip nur etwa zwei Mal im Jahr gönnt, weil es wichtiger ist, das Geld zu schicken. Die Trennung von der Familie, um für Unterhalt zu sorgen, ist leider bittere Realität für viele. Hier ist es einer von vielen Aspekten über das Arbeitsumfeld und die Bewertung liegt mehr beim Zuschauer selbst.

„Kerblam!“ gefällt mir ausgesprochen gut. Ich würde sogar sagen, es ist eine exzellente Episode, wenn man jemandem mal ein bisschen Doctor Who zeigen möchte, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Keine der hochgelobten Folgen, bei denen Fans über Top Ten Platzierungen streiten. Aber ein solides Abenteuer mit klarem Verlauf, sympathischen Gastcharakteren und einem Happy End, das einen Preis verlangt. Das Kerngerüst der Serie. Die Hauptfiguren haben alle ihre kleinen Momente für sich und wie es sich für Science-Fiction gehört, ist die Story auf das alltägliche menschliche Miteinander übertragbar. Ich persönlich bin vom Ende nur dahingehend ein wenig enttäuscht, dass der Doctor nicht noch ein bisschen mit sich hadert. Um tausende von Leben zu retten, setzt sie auf Selbstzerstörung und der Bösewicht ist mitten in der Explosion. Er hat durchaus Zeit sich in Sicherheit zu bringen und entscheidet sich dagegen, aber hinterlässt das gar kein Gefühl beim Doctor? Sie plädiert stark für gewaltfreie Lösungen und was, wenn der Moment näher rückt, wo sie das nicht mehr so einfach kann?

„Kerblam!“ bietet Stoff für längere Diskussionen, etwa über Arbeitnehmerrechte. Die Folge ist allerdings mehr ein Sprungbrett und es hängt sehr von der eigenen Einstellung ab, wohin so eine Diskussion führt. Ich werde mich aber wohl vor allem noch einige Zeit fragen, warum der Episodentitel „Kerblam!“ ist, während der Firmenname sich zu Kerb!am entwickelt hat. Tolles Wort, die Aussprache macht Spaß. Zudem wird mich der ungeheuerliche Missbrauch der Luftpolsterfolie verfolgen.

Misato

Misato hortet in ihrer Behausung fiktive Welten wie ein Drache seinen Goldschatz. Bücher, Filme, Serien, Videospiele, Comics - die Statik des Hauses erlaubt noch ein bisschen, der Platz in den Regalen weniger. Am liebsten taucht sie in bunte Superheldenwelten ein, in denen der Tod nicht immer endgültig ist und es noch gute Menschen gibt. Íhr eigenes Helfersyndrom lebt sie als Overwatch Support Main aus und adoptiert fleißig Funko Pops.

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