Star Trek: Picard (Folge 1×05)

Star Trek: Picard Folge 5, mit dem etwas spoilernden Titel “Keine Gnade” überrascht mit einer Altersprüfung. Kein Wunder, denn die Szene, die gleich danach kommt, ist nichts für schwache Nerven. So etwas kennt man eher aus Game of Thrones als aus einer klassischen Vorabendserie wie Star Trek, die man einst risikolos mit allen Altersgruppen anschauen konnte. Da wird der Vorsatz, mit Star Trek: Picard neue Wege zu beschreiten, einmal mehr überdeutlich. Wobei der Weg zu mehr Blut und Glibber vielleicht nicht jedermanns Sache ist.

Rückblende: Seven of Nine, die in der letzten Folge so unvermutet an Bord gebeamt wurde, hat noch eine Rechnung offen. Denn da war ihr junger Freund Icheb, der einst wie sie aus dem Borg-Kollektiv gerettet wurde und für den sie so etwas wie mütterliche Gefühle hegte. Bis er der Borgtechnologie-Händlerin Bjayzl in die Hände fiel, die ihm bei lebendigem Leib die Borg-Implantate herausoperierte, worauf er in Sevens Armen starb. Gegenwart: Auf Freecloud hat Dr. Maddox bei der falschen Person Zuflucht gesucht. Just jener Bjayzl, hinter der Seven herjagt. Statt ihn zu schützen hat sie ihn sogleich gefangen genommen und will ihn nun an die Tal Shiar verkaufen. Kein Wunder, dass Sevens Bereitschaft, bei Picards Mission dabei zu sein, Gründe hat, die sie Picard nicht auf die Nase bindet. Dank Raffis Recherchen kann Team Picard einen Rettungsplan entwerfen. Rios tritt als zwielichtiger Vermittler auf, für einen Schwarzhändler (Picard), der Bjayzl ein besseres Angebot machen kann als die Tal Shiar: Dr. Maddox gegen die einmaligen Borg-Implantate, die in Sevens Körper verbaut wurden. Und wenn sie es schaffen, bis zu Bjayzl vorzudringen, dann werden sie es schon schaffen, sich rechtzeitig mit Maddox und Seven wegzubeamen. Wenn Raumschiff-Newbie Agnes Jurati es schafft, das mit dem Beamen hinzukriegen …

Mal wieder eine Rückblende

Dass wieder mal in die Vergangenheit geschaut und jede Menge Backstory rekapituliert wird, ist mittlerweile schon zum festen Bestandteil einer Folge Star Trek: Picard geworden. Eigentlich sollte zur Mitte einer Staffel mit dem Aufarbeiten der Vorgeschichte endlich Schluss sein, damit die eigentliche Handlung ihren Raum bekommt. Aber bei einer in Star Trek: Voyager so präsenten Figur wie Seven of Nine war die Versuchung offenbar zu groß, ihr jede Menge Vergangenheit zu schreiben, die die Lücke zwischen Star Trek: Voyager und Star Trek: Picard schließt. Wenn man schon in einem so riesigen Erzähluniversum arbeitet, dann will man mit all dem Material auch etwas anfangen. Mal abgesehen von ihrer persönlichen Verbindung zur Schurkin der Woche bietet Sevens Geschichte auch einen Blick auf eine weitere Front in der komplizierten Gemengelage von Star Trek: Picard. Die Fenris-Ranger, eine Vigilantentruppe, die auf eigene Faust versuchen, in dem vom Rückzug der Sternenflotte geschaffenen Machtvakuum für Ordnung zu sorgen. Das könnte noch wichtig werden. Oder auch nicht. Denn Seven of Nine-Darstellerin Jeri Ryan ist im Vorspann als “Special Guest” aufgeführt. Das könnte darauf hindeuten, dass sie nur in dieser einen Folge mit dabei ist, später nicht mehr.

Eine Folge wie aus der guten alten Zeit – oder doch nicht?

Eigentlich stehen die Chancen gut, dass Folge 5 eine ganz klassische Star Trek-Folge wird. Da ist ein fremder Planet, es gilt, jemanden zu befreien. Also beamt sich die Crew hinunter, in lustiger Verkleidung. Rios in Pelzmantel und Federhut, wie ein Zuhälter aus den Siebzigern. Picard mit einer Augenklappe und eine fürschterlische frongsösische Aksong. Agnes stellt ahnungslose Zwischenfragen und verzweifelt lustig an der Technik. Elnor, der von den Kriegernonnen nach dem Prinzip der absoluten Offenheit erzogen wurde, hat das Prinzip “Etwas vortäuschen” einfach nicht begriffen und übernimmt so die traditionsreiche Rolle des Crewmitglieds, das menschliche Interaktion nicht wirklich versteht. Vor Ort finden sie einen Standard-Schauplatz: die verrufene Weltraum-Bar mit ebenfalls lustig kostümierten Statisten und einem skurrilen Echsen-Alien. Die Chefin hat die dunklen Kulleraugen und den hautengen Stretchanzug von Deanna Troi aus Star Trek: Next Generation, aber sonst nichts mit ihr gemeinsam, statt dessen einen Hang zu zynischen Schurkinnensprüchen. Und dann lösen sie das Problem, indem Picard einen Vortrag zum Thema “Rache ist nicht die Lösung” hält und sich alle wieder an Bord beamen.

Star Trek meets Tarantino

So weit, so klassisch. Würde man die Folge auf eine Viertelstunde kürzen, käme genau so eine Oldschool-Episode dabei heraus. Aber schon der ungewohnt blutige Einstieg ließ vermuten, dass hier ein anderer Ton angeschlagen wird. Und so beamt sich Seven nach ein paar Dialogmomenten mit Picard voller Racherdurst wieder zurück und in ein ganz anderes Genre. Eins, wo die Heldin voll kalter Wut der Gegenspielerin noch ein paar sarkastische Repliken gönnt, bevor sie sie über den Haufen schießt und sich dann den Weg nach draußen mit zwei großen Wummen in den Händen freiballert. Hatte Tarantino nicht einmal vor, einen Star Trek-Film zu machen?

Und was treibt die Gegenseite?

Narek und Narissa kommen diesmal gar nicht vor. Kein weiteres Herumgebuddel an Sojis Geheimnissen. Auch Dr. Maddox, von dem eigentlich die Erklärung für alles zu erwarten gewesen wäre, trägt kaum zur Erhellung bei. Dafür können die Zuschauer, die Agnes Jurati schon immer misstraut haben, sich auf die Schulter klopfen, während die anderen von einem fiesen Twist kalt erwischt werden. Die Comedy-Rolle als ahnungslos-gutwillige Dauerquasselerin ist längst nicht alles, was in ihr steckt. Schön gemacht, wie sich ein Motiv doppelt: als sie von der Technik an Bord völlig überfordert ist, schaltet sich das Rios-Hologramm hilfsbereit ein, was einen kleinen Lacher wert ist. Als sie dann in Gewissensnöten vor einem folgenschweren Schritt steht, ist das Hologramm wieder hilfsbereit zur Stelle … aber jetzt endet die Sache ernsthaft und böse.

Eine Folge, in der viel drin steckt. Ein liebevoll-ironischer Blick auf die alten Star Trek-Zeiten. Aber auch eine härtere Gangart, mit mehr Blut und Skrupellosigkeit und bösen Twists. Noch mehr Hintergrund, noch mehr Verknüpfungen zwischen all den verschiedenen Parteien. Nur dem Geheimnis, das immer wieder angetriggert wurde, ist man immer noch nicht näher gekommen. Naja, es ist ja erst Halbzeit.

wasabi

wasabi wohnt in einer Tube im Kühlschrank und kommt selten heraus.

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