Westworld (Folge 3×07)
Wir befinden uns im Endspiel von Westworld, die Zielgerade ist quasi in Sicht. Mit Salomon, dem verrückten K.I.-Bruder von Rehoboam, betritt auf den letzten Metern ein neuer Spieler das Schlachtfeld. William, frisch befreit aus der Nervenheilanstalt, justiert seine Ziele neu und will nun alle Hosts vernichten. Und Caleb emanzipiert sich endgültig von seiner Sidechick-Rolle und wird der neue Anführer der Revolution.
Während das Intro der siebten Folge „Passed Pawn“ davon erzählt, wie Clementine unseren Musashi umbringt, verbringen Bernard und Stubbs den Großteil ihrer Zeit damit, mit William in der Klappse herumzulaufen. Sie finden dabei heraus, dass William für tot erklärt wurde und von Dolores eine Art Virus ins Blut injiziert bekommen hat. Zu dritt (mit Williams als Geisel) machen sie sich auf in die Pampa, wo William es schafft seinen zwei (überlegenen) Host-Freunden eine (mickrige) Schrotflinte ins Gesicht zu halten. Huiui, wie wird dieses Drama wohl enden? Unterdessen spüren Dolores und Caleb in Mexiko die ausrangierte Vorgänger-K.I. von Rehoboam auf: Salomon. Jener Salomon hat die Verrücktheit von Seracs Bruder Jean Mi geerbt hat und soll die letzte finale Strategie für die Welt und die Menschheit umsetzen – angeführt von Caleb (so Dolores’ Plan). Apropos Caleb: Wir erfahren, dass auch er nur eine Laborratte von Seracs Umerziehungslagern gewesen war (Überraschung!) und darüber hinaus der wahre Mörder von Francis ist (Überraschuuuung!). Zu guter Letzt taucht auch noch Maeve mit einem Samuraischwert auf. Etwa der finale Kampf zwischen Dolores und Maeve? Mitnichten.
Die Emanzipation von Charlotte Hale
Hale hat sich also komplett von Dolores abgewendet und muss nun logischerweise etwas gegen die Dolores-Kopien unternehmen, die ihr gefährlich werden könnten. Zu diesem Zwecke entsendet sie Clementine (Maeves liebste Mariposa-Lieblingsfreundin) und Hanaryo (das tätowierte Armistice-Pendant aus Shogunworld) aus, um Musashi zu töten – mit Erfolg. Dass Clementine in die reale Welt zurückkehrt, haben wir bereits in der letzten Folge anhand der Host-ID herauslesen können. Die unbekannte ID gehört demnach zu Hanaryo. Aber jetzt mal eine ganz blöde Frage: Waren diese beiden nicht dazu bestimmt, Maeve zu folgen? Wieso gehören die denn jetzt auf einmal zu Team Hale?
„Eine verrückte K.I. – großartig.“
In Mexiko finden Caleb und Dolores die verrückte K.I. Salomon, erschaffen von Seracs (schizophrenem) Bruder Jean Mi. Jean Mi arbeitete im Geheimen an einer „finalen Strategie“ für die Welt, kurz bevor Serac ihn in das Umerziehungslager steckte. Was hatte Jean Mi geplant? Den Tod der Menschheit? Den Tod des Systems? Noch wissen wir es nicht. Salomon jedenfalls erinnert ein bisschen an die K.I. GLaDOS aus Portal: frech und französisch. Gut, GLaDOS ist nicht französisch, aber unaufgeregt frech. Salomon weist Dolores auch direkt in ihre Schranken: „Wir sind nicht gleich, du olle Zippe. Du bist nur ‘ne Delos-Box.“. Allerdings birgt diese Passage mit Salomon auch eine unerwartete Tiefe. Als Salomon fragt, mit welcher Stimme er zu Dolores und Caleb sprechen soll, kann man das durchaus als einen Verweis auf die bikamerale Psyche verstehen, die in Staffel 1 (und Staffel 2, Folge 10) eine große Rolle spielt. Das Konzept kurz umrissen: Nicht Gott spricht zu einem, sondern das eigene Selbst.
Samurai-Maeve
Bevor Dolores ihr Ding mit Salomon endgültig durchziehen kann, tritt Maeve auf den Plan und natürlich bringt Maeve während eines „letzten“ Gesprächs mit Dolores wieder einmal ihre Tochter-Keule. Maeve gehört zu den smartesten und „bewusstesten“ Figuren der Serie, und trotzdem kommt sie nicht über ihre Tochter hinweg, von der Maeve ja wissen muss, dass diese nur ein weiterer programmierter Host ist wie all die anderen, auf die sie scheißt. Man könnte natürlich anführen, dass die Showrunner hier zeigen wollen, dass die allmächtige Maeve trotz vollen Bewusstseins immer noch von ihrer Kernerinnerung angetrieben wird und eine Gefangene ihres Loops ist. Aber auch wenn es so sein sollte, erscheint Maeve immer mehr wie ein hingerotzter Antagonist zu Dolores, damit Dolores es nicht allzu leicht hat in Westworld. Ein Antagonist, dem eine organische, gut geschrieben Backstory fehlt. Ich habe wirklich noch keinen einleuchtenden Sinn hinter Maeves Taten entdecken können. Dass sie am Ende mit einem Samuraischwert auftaucht, tuts dann auch nicht wirklich. Und um ganz ehrlich zu sein: Diese Kampfszenen können die Macher auch ganz sein lassen. Maeve kann in diesen Kämpfen nicht gewinnen, weil sie sonst den Plot versauen würde. Maeve kann aus demselben Grund aber auch nicht verlieren. Heißt, diese Kampfszenen sind ohne wirklichen Einsatz und deswegen lahm.
Caleb, der Freibauer
Erst einmal: Hab ich irgendwie den Moment verpasst, in dem Caleb die wahre Natur von Dolores begreift? Muss wohl am Ende von Folge 3×05 passiert sein, als Caleb sieht, wie Dolores von Kugeln durchsiebt wird. Ich habe sechs Folgen lang gespannt dem Moment entgegen gefiebert, wenn Caleb endlich checkt, dass seine Dolores gar nicht so „echt“ ist wie er denkt. Stattdessen passiert diese Konfrontation off screen (während 3×06) und nun haben wir uns alle damit abgefunden? Für einen Typen, der zu Beginn der Staffel noch sein Misstrauen gegenüber jedweder Form von Technologie verdeutlicht hat, geht er ganz schön chillig damit um. Naja gut. Caleb erfährt in Mexiko also von seiner tragischen Vergangenheit: dass er ein sogenannter „Ausreißer“ war, der von Serac umkonditioniert wurde und darüber hinaus seinen eigenen Freund Francis umgebracht hat. Indem Dolores Caleb mit dieser Wahrheit konfrontiert, erschafft sie die eigentliche Waffe, mit der sie ihren Plan ausführen will. Nicht sie soll die Menschheit/die Welt/was auch immer zum Einsturz bringen, sondern Caleb. Caleb wird damit zum titelgebenden „Passed Pawn“, einem Freibauern. Das ist ein Begriff aus dem Schach und bezeichnet einen Bauern, der auf seinem Weg ist, zur Königin umgewandelt zu werden (klar, er könnte auch ein Turm werden, aber die Königin sollte stets das Ziel sein). Dolores „Tagayrien“ Abernathy ist also gar nicht unsere neue Queen, sondern Caleb? Huehue, d’accord.
Fazit
Ich weiß nicht, wie es dem Rest der Westworld-Gucker ergeht, aber ich bin bereit für das Ende. Die Geschichte ist einfach nicht mehr so befriedigend wie früher. Die einzelnen Plots zu verfolgen und zu verstehen ist mehr Arbeit als Spaß und die Empathie für die Figuren ist quasi wie weggefegt. Irgendwie leidet die dritte Staffel von Westworld unter einer narrativen Fehlausrichtung; alles ist irgendwie chaotisch und mir persönlich zumindest ziemlich wurscht. Aber das mal beiseite genommen, hier mal wieder die Highlights der Folge … wo hab ich sie denn … ach ja, da: „Fucking Ford“, „I’m a fucking bastion of society“ und „Don’t lecture me you fucking can opener“. Wenigstens auf William ist noch Verlass.