Tote Mädchen lügen nicht (Staffel 1)
Laut Statistiken sterben in Deutschland jährlich ca. 10.000 Menschen durch ihre eigene Hand. Im Falle von altersbedingten (körperlichen und geistigen) Verfallserscheinungen oder unheilbaren Krankheiten kann man die Gründe für einen Suizid noch nachvollziehen. Doch was treibt junge Menschen in den Selbstmord? Die auf einem Roman basierende US-amerikanische Fernsehserie Tote Mädchen lügen nicht zeigt deutlich auf, was im Leben eines Teenagers schief laufen kann.
Nach dem Selbstmord der 17jährigen Hannah steht die Welt Kopf. Jedenfalls für Clay, der in sie verliebt ist. Warum hat sie sich umgebracht? Hätte er ihr helfen können und müssen, hätte er die Anzeichen bemerken müssen? Hat er vielleicht sogar Schuld an ihrem Tod? Antworten kann ihm keiner geben, bis eines Tages ein Päckchen vor seiner Haustür steht. Darin enthalten sind sieben Kassetten und ein Stadtplan. Auf den Kassetten zu hören: die Gründe für Hannahs Selbstmord.
Inhalt mit drastischen Folgen
Die Warnung vor der Serie und speziell noch einmal vor der letzten Folge ist deutlich: Selbstmordgefährdete oder psychisch kranke Menschen sollten diese Serie keinesfalls schauen. Und auch Kinder sollten unbedingt die Finger von den Folgen lassen. Doch warum eigentlich?
In 13 Folgen, wobei jede Folge einer Seite einer Kassette und damit einem Grund für Hannahs Selbstmord entspricht, wird deutlich aufgezeigt, was in ihrem Leben so alles schief gelaufen ist. Dabei fängt Hannah mit Kleinigkeiten an, sodass am Anfang sogar der Eindruck entsteht, dass ihre Reaktion völlig übertrieben gewesen ist. Überhaupt fällt es teilweise sehr schwer, Hannahs Handeln und ihre Persönlichkeit zu verstehen oder gar zu mögen. Doch mit jeder weiteren Kassettenseite, mit jedem weiteren Puzzleteil, wird ihre Verzweiflung deutlicher und nachvollziehbarer. Besonders tragisch wirkt dabei auf den Betrachter, wie viele Kleinigkeiten aufeinander treffen und wer eigentlich alles, mehr oder weniger bewusst, involviert ist. Dabei spart die Serie auch nicht mit verstörenden Ansichten, Gewalt wird ungeschönt dargestellt und die Verzweiflung der Zurückgebliebenen wird ebenso deutlich spürbar wie Hannahs eigene.
Achtung: Suchtpotential!
Originaltitel | 13 Reasons Why |
Jahr | 2017 |
Episoden | 13 in Staffel 1 |
Genre | Drama |
Cast | Hannah Baker: Katherine Langford Clay Jensen: Dylan Minnette Tony Padila: Christian Navarro Jessica Davis: Alisha Boe Justin Foley: Brandon Flynn Bryce Walker: Justin Prentice Alex Standall: Miles Heizer |
Schon der Anfang der Serie ist wirklich böse. Hauptcharakter Clay muss damit klar kommen, dass das Mädchen, in das er verliebt ist, Selbstmord begangen hat. Rückblickend gab es so viele Hinweise, dass es merkwürdig scheint, das niemand etwas gemerkt hat. Und als ob das nicht schon genug wäre, stehen plötzlich Hannahs Kassetten vor seiner Tür. Mit der Botschaft: „Jeder Empfänger dieser Kassetten hat Schuld an meinem Selbstmord.” Aber warum ist Clay mitschuldig an ihrer Entscheidung? Entspricht wirklich alles, was Hannah erzählt, den Tatsachen? Und was bezweckt Hannah eigentlich? Aber auf der anderen Seite – warum sollte eine Tote lügen?
Dabei werden zwei Handlungsstränge parallel erzählt. Die Kassetten – die Vergangenheit – zeigen auf, was passiert ist. Die Gegenwart zeigt, wie Clay mit dem gehörten umgeht und seine Umwelt damit konfrontiert. Das ist anfangs ein wenig irritierend, wird aber schnell durch einen kleinen Kniff leicht verständlich.
Vielfältige Probleme
Aber nicht nur all die aufgeworfenen Fragen sorgen dafür, dass der Zuschauer unbedingt weiter schauen muss. Denn eigentlich lebt die Serie von ihren Charakteren und deren Schicksalen, in denen sich jeder irgendwo wiederfinden wird. Da sind auf der einen Seite die Bakers, Hannahs Eltern. Verstört, verletzt und auf der Suche nach Antworten. Schnell wird klar, wie tiefgreifend dieser Verlust für sie wirklich ist und wie schwierig es sein wird, dies zu verarbeiten. Auf einer anderen Seite ist Clay, der Junge, der in Hannah verliebt war. Ein netter Mensch, der es wirklich ernst mit ihr meinte, ihr dies aber nicht zeigen konnte. Und jetzt für sich klären muss, wie er das Geschehene verarbeitet und was er daraus lernt. Wird er daran zerbrechen oder wird er dadurch stärker? Aber da sind auch noch Hannahs Mitschüler und Lehrer und sie alle haben eine Rolle in dem Desaster, das vor einiger Zeit noch Hannahs Leben war.
Mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen sucht, werden innerhalb der Serie aber vor allem die unschönen Themen angesprochen: Mobbing, Slut Shaming, Gewalt, Missbrauch. Es kommt zu Vergewaltigungen, die ungeschönt dargestellt werden. Es passieren Unfälle und Tragödien. Und über allem hängt Hannahs Selbstmord wie eine Wolke, der man nicht entkommen kann. Das Ende ist vorbestimmt, das macht es noch schwerer, dem Geschehen zu folgen.
Unbefriedigendes Ende?
Geradlinig erzählt Hannah ihre Geschichte, es ist klar, womit das alles enden wird. Dabei bleiben leider so einige Dinge ungesagt, denn mit ihr ist alles zu Ende. So wird Clay im Laufe der Folgen durch ein Foto auch zum Täter. Dies rechtfertigt er als eine Art Gerechtigkeit, doch das Opfer – ebenfalls ein Täter – hat seine eigene Gerechtigkeit. Die Frage bleibt offen, wie sich das weiterentwickeln wird. Clays Mutter sagt in einer späteren Folge zu ihm “Du bist ein gutes Kind”. Aber hat sie gar nicht erkannt, dass er kein Kind mehr ist? Diverse Charaktere sind in der Serie homosexuell, was nie zu größeren Problemen geführt hat. Bleibt das so? Und was wird aus Jess, Bryce, Justin und Alex? All das bleibt zunächst offen. Doch Antworten könnte die zweite Staffel bringen, die im Jahr 2018 auf Netflix laufen und direkt an die Geschehnisse aus Staffel eins anschließen soll.
Fazit
Normalerweise berührt mich der Inhalt einer Serie nicht sonderlich, doch diese hat mich anfangs zutiefst verstört. Aber auch zum Nachdenken angeregt. Dabei hat mir vor allem gefallen, dass trotz der vielen Tragödien auch Themen angesprochen wurden, die wie selbstverständlich einfach da sind. So sind diverse Charaktere homosexuell, und obwohl dies eine wichtige Information über die Person an sich ist, wirkt es nicht aufgebauscht oder übertrieben. Die Serie geht sowieso sehr offenherzig mit dem Thema Sexualität um und es wirkt natürlich und realistisch. Was aber auch mitunter sehr erschreckend ist, wenn es z. B. um Vergewaltigungen geht. Erschreckend finde ich auch, wie stark mich viele Dinge mitgenommen haben und mir ans Herz gingen. Obwohl es hier hauptsächlich um die Probleme von Teenagern ging und mich diese ja nun gar nicht mehr betreffen, konnte ich einfach keine Distanz aufbauen. Das führte dazu, dass ich ganz oft gar nicht hinschauen konnte, wenn gerade irgendwas schlimmes passierte.
Zweite Meinung
Ich will gar nicht lange herum reden: Mein Hauptproblem mit der Serie ist Hannah. So tragisch ihr Schicksal auch ist und ich will hier auch nichts herunterspielen, aber ich konnte wenig Sympathie für sie aufbringen. Ich fand es unympathisch, dass sie die Kassetten aufgenommen hat und teilweise – auch unabsichtlich – Schuld verteilt wurde, die so unpassend und unfair war, dass es mich richtig geärgert hat.
Dritte Meinung
Die Serie hörte sich interessant an, also gab ich ihr eine Chance. Während der Anfang noch spannend war, wurde es zusehends quälender. Erwachsene benehmen sich wie Kinder, Kinder wie Idioten. Anstatt, dass man Probleme miteinander diskutiert, versucht jeder es totzuschweigen und mit sich selbst auszumachen.
Zu Recht gab es hierfür – gerade von Beratungsstellen – heftige Kritik. Es ist gut, dass man ein so schwieriges Thema wie Selbstmord – gerade bei Jugendlichen – anspricht, aber ob man es so richtig angepackt hat… Zu oft kommt mir Hannah kleinlich vor. Natürlich summieren sich Kränkungen auf, aber manches hätte man durch einfaches Reden aus der Welt schaffen können.
13 Reasons Why polarisiert sehr. Ich habe im Frühling, als es ganz frisch und gehyped war, mit vielen darüber diskutiert, teils sogar auf der Uni in unsrem Creative Writing Course. Ich stimme Blaubeere zu in der Hinsicht, dass ich ein Problem mit Hannah hatte. Selbstmord, Depressionen, Mobbing… solche Themen sind schlimm, das ist keine Frage. Aber die meisten von Hannahs Problemen waren eher nichtig. Ich versteh schon, dass da dieser snowball effect ist und sich das aufstaut, aber ihre Art kam mir teilweise sehr kleinlich vor, v.a. weil es wirklich harter Tabak ist, die Schuld für den Selbstmord von jemandem in die Schuhe geschoben zu bekommen und manche der Leute auf den Tapes
Naja, zugute halten muss man der Serie, dass sie wirklich extrem süchtig macht und man einfach wissen muss, wie es weitergeht. Ziemlich deprimierend und heftig teilweise, aber auf jeden Fall interessant. Ich kann aber die ganzen Kritiken sehr gut nachvollziehen, eben dass die Serie Suizid teils romantisiert und als Nebeneffekt womöglich viele Teenager dazu anstiften könnte…
Das wirklich tolle an der Serie ist meiner Meinung nach eh das Diskussionspotential, das sie hat. Ich kann zum Beispiel sehr gut verstehen, dass Hannah am Ende diesen Schritt geht und finde überhaupt nicht, dass das romantisch dargestellt wird. Gerade dadurch, dass Hannah am Anfang so unsympathisch wirkte fand ich, dass ihr Selbstmord als etwas absolut negatives gezeigt wurde. Aber ich kann jeden verstehen, der ihre Darstellung überhaupt nicht mag. Nach all der Zeit sind mir aber immer noch ihre Eltern am stärksten im Gedächtnis geblieben, weil die so sehr unter all den Geschehnissen gelitten haben.
Das Buch habe ich nicht gelesen, hatte es aber eigentlich noch vor. Ich warte wohl erstmal die 2. Staffel ab.
Die Szene vom Suizid selbst wird absolut nicht beschönigt (ziemlich grauslich anzusehen wie sie sich die Adern aufschlitzt, im Buch hört man nur offscreen von Pillen), aber ich finde die gesamte Message kann dann leider auf verschiedene Arten ausgelegt werden. Wenn man so will, hat Hannah quasi ihre “Rache” bekommen durch die Tapes bzw. eben dadurch sehr viel erreicht nach ihrem Tod und eine ganze Kette an Ereignissen ausgelöst bzw. indirekt (eigentlich dank Clay) Schuldige wie Bryce endlich büßen lassen. Das kann halt “ich bring mich auch einfach um und prangere dann die an, die mich gedemütigt haben”-Nachahmer hervorrufen.. :/
Ich frag mich wie die 2. Staffel überhaupt weitergehen soll, aber da die Serie und v.a. die Charaktere darin teilweise ein Eigenleben entwickelt haben, würde es mich irgendwie schon intressieren.